Der Kronrat (German Edition)
Freunde
»Entschuldigt«, sagte der junge Priester mit dem Besen höflich hinter uns. »Ich will nicht stören, soll ich später wiederkommen?«
»Ja«, sagte die Frau, die überraschend neben uns aus dem Schatten trat. Sie wirkte entnervt. »Ich bitte darum. Es ist schwierig genug, diese beiden allein vorzufinden, und was ich an sie heranzutragen habe, duldet keinen weiteren Aufschub.« Sie warf mir einen funkelnden Blick zu. »Wenn Ihr noch einmal mit dieser Klinge auf meine Nase deutet, nehme ich sie Euch ab und versenke sie dort, wo selbst Soltars Licht nie scheint!« Sie streckte einen schlanken Finger aus und schob Seelenreißer damit zur Seite.
»Das haben schon andere versucht«, ließ ich sie milde wissen, als ich das Schwert in die Scheide steckte.
»Mit dem Unterschied, dass ich es könnte«, meinte die Frau, die wahrscheinlich Asela war, Maestra, Eule und Spionin Kolarons, eben jene, die beinahe Desinas Ende bedeutet hätte, maßgeblich an dem Angriff auf Askir beteiligt gewesen war und nach dem Nekromantenkaiser selbst unser größer Feind sein musste. Mir fiel kein Grund ein, warum ich sie nicht auf der Stelle erschlagen sollte, außer einem: Neugier.
»Das Schwert muss sich damit abfinden, dass es mich nicht bekommen wird«, sprach sie.
»Vielleicht doch«, meinte ich, doch sie schnaubte nur.
»Ihr habt angeboten zu verschwinden«, sagte sie jetzt zu dem Priester. »Also tut das!«
»Nun, Sera«, meinte Gerlon höflich. »Es ist nicht so, dass mein Anliegen noch lange warten kann. Außerdem habe ich Rücksicht genommen auf einen zärtlichen Moment und nicht auf Euch, die Ihr im Schatten verborgen wart!«
Serafine und ich wechselten einen Blick. »Wollt Ihr es unter Euch ausmachen?«, fragte Serafine höflich. »Oder erklärt uns jemand, worum es geht?«
»Um einen Nekromanten«, meinten beide im Chor – und sahen einander im nächsten Moment verdutzt an.
»Gut«, meinte Asela und bedachte den Priester mit einem funkelnden Blick. »Der Verfluchte, den ich erschlagen sehen will, wird den Kronrat zerstören, wenn man ihn nicht aufhält.« Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust und blickte ihn fordernd an. »Es wird wohl kaum etwas Wichtigeres geben!«
»Der, den ich meine, wird den Glauben meines Herrn verderben und die Seelen der Toten in die Irre führen«, gab der junge Priester zurück und imitierte ihre Haltung. »Ihr müsst einsehen, dass er die größere Gefahr darstellt.«
Ich räusperte mich. »Ihr seid Asela, nicht wahr?«, fragte ich höflich, als ich beider Aufmerksamkeit besaß.
»Und wenn es so wäre?«, fragte sie kühl. »Was geht es Euch an?«
»Ich will wissen, mit wem ich spreche.«
Die Sera neigte leicht das Haupt. »Ich war einst sie. Aber ich bin es nicht mehr. Kolaron hat das verdorben und in den Tod geführt, was sie einst ausmachte. Ich bin das, was nach der Verderbnis übrig blieb.«
Damit war ich nicht viel schlauer als zuvor. »Nennt Ihr mir auch den Grund, warum ich Euch nicht auf der Stelle erschlagen soll?«, fragte ich höflich.
»Davon abgesehen, dass Ihr es nicht könnt?«, fragte sie mit einem harten Lächeln.
»Ich bin geneigt, es zu versuchen. Ein anderer Grund wäre durchaus angebracht.«
»Ich habe mich aus Kolarons Joch befreien können und stehe auf Eurer Seite. Ich bin dem Nekromantenkaiser ein entschlossenerer Feind, als Ihr es je sein könnt.«
»Warum sollte ich Euch glauben?«, fragte ich misstrauisch.
Sie nickte. »Eine gute Frage.«
»Deshalb stelle ich sie.«
»Nachdem wir miteinander gesprochen haben, werde ich das Haus Soltars betreten. Es besteht die Gefahr, dass er mich bestrafen wird, aber wenn nicht, werdet Ihr dann überzeugt sein?«
»Geht doch gleich hinein«, schlug ich vor. Serafine zog die Luft ein und warf mir einen warnenden Blick zu. Es half nicht viel, meine Geduld war an diesem Tag schon zu oft strapaziert worden. Am liebsten hätte ich Maestra und Priester hier auf den Stufen stehen lassen und wäre zu meinem Quartier gegangen, um Ruhe und Muße zum Nachdenken zu finden. Oder ich würde doch mein Glück bei ihr versuchen. Anders als sie hatte ich keinen Zweifel daran, dass Seelenreißers fahle Klinge scharf genug war, um ihr den Kopf von den Schultern springen zu lassen.
»Dann erweist uns wenigstens die Ehre, Euch uns so zu zeigen, wie Ihr seid«, forderte Serafine.
»Warum?«, fragte die Maestra.
»Weil ich es sehen will«, beharrte Serafine.
»Wenn Ihr darauf besteht.« Ich wusste nicht, wie sie es
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