Der Kronrat (German Edition)
erschlagen.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich werde auf Seelenreißers Klinge enden, ein Schicksal, das mich wenig überrascht. Aber der Feind wird besiegt werden.«
»Aber jeder andere neben dir wird fallen«, sagte sie leise. »Und dann du.«
»Ich werde dem Gott allein gegenüberstehen. Das sind Soltars Worte. Er sprach nicht davon, dass jeder sterben wird. Ich kann nicht wissen, wo und wann sich seine Worte erfüllen. Aber wenn ich allein vor diesen falschen Gott trete, stirbt auch niemand anders. Danach wird Leandra ihn erschlagen, und die Welt kann sich neu ordnen. So kann man Soltars Worte auch verstehen.«
»Du suchst nach einer Hoffnung«, sagte sie unter Tränen.
»Was soll ich sonst tun?«, fragte ich. »Dafür ist sie da.«
»Also hältst du Leandra für die Tochter des Drachen?«
»Wen denn sonst? Über ihren Vater ist so gut wie nichts bekannt, doch beachte ihr erschreckendes magisches Talent, die rätselhaften Dinge, die sie umgeben. Der Drache … Er steht für Askannon. Vielleicht ist er ihr Vater, wir wissen es nicht. Vielleicht ist es jemand anders. Aber sie scheint mir am passendsten zu sein, und sie trägt Steinherz. Wenn es ein Schwert gibt, das geeignet erscheint, einen Gott zu erschlagen, dann dieses.«
»Aber du wirst sterben.«
»Ja.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich kann nicht sagen, dass der Gedanke mir gefällt, aber du weißt, wie lange ich schon lebe. Immer weiterzuleben erschien mir als Fluch, denn es ist eine Strafe, diejenigen vergehen zu sehen, die man liebt. Wenn sie altern und verfallen, während man selbst jung ist von gestohlenen Lebensjahren! Nein, Serafine, ich sehe die Worte meines Gottes als eine Befreiung, denn nun unterscheide ich mich nicht mehr von anderen. Es wird ein Ende geben, und wie jeder andere auch weiß ich nicht, wann und wo es sein wird. Aber eines habe ich anderen voraus. Ich weiß, dass mein Tod einen Sinn haben wird.« Ich zog sie an mich und hielt sie; es kam mir natürlich vor und auf eine Art richtig, die ich erst noch lernen musste. »Wenn ich schon sterben muss, frage mich doch einmal, ob ich möchte, dass es einen Sinn hat? Manche stolpern auf der Treppe und brechen sich den Hals. Was ist der Sinn eines solchen Todes? Der Gott sagt mir, dass mein Tod der Weltenscheibe die Hoffnung wiedergibt. Was will ich mehr?«
»Glücklich sein. Leben. Lieben«, antwortete sie mit erstickter Stimme. »Ich wollte niemals mehr als das. Es sind bescheidene Wünsche, finde ich. Ich wollte nie eine Heldin sein, nie die Last der Welten auf meinen Schultern tragen. Was ist daran so falsch, nichts anderes zu wollen, als in der Liebe glücklich zu sein und einfach nur zu leben, bis der letzte Tag kommt? Friedlich in einem Bett zu sterben, im Kreis derer, die man liebt, vielleicht die Kinder und die Kindeskinder um sich versammelt. Was ist falsch daran?« Sie löste sich von mir. »Sag mir, was ist falsch daran?«
»Nichts«, antwortete ich leise. »Aber es ist nicht jedem vergönnt.«
»Jerbil hat es mir versprochen«, sagte sie erstickt. »Er hielt immer sein Wort. Immer, hörst du?«
»Nun«, sagte ich und sah ihr in die Augen. »Wer hätte es für möglich gehalten, dass du hier stehst, dass du Serafine und Helis bist? Er hat dich aus diesem kalten Grab gerettet, auf welche Art auch immer. Er muss hart mit Soltar verhandelt haben, aber hier stehst du und lebst! Dass die Seelen wiedergeboren werden, versprach uns der Gott, doch du bist mehr als eine Seele, du bist wahrhaftig zurückgekehrt. Es ist unmöglich, und doch ist es wahr. Also …« Ich lächelte. »Wer weiß? Vielleicht hat dein Jerbil es so einrichten können, dass das gesamte Gefüge der Weltenscheibe und selbst der Wille der Götter sich ihm hat beugen müssen. Leandra erklärte mir, dass die Basis aller Magie und Macht nur eines wäre: der Wille, dass es sich so fügen soll, wie man es wünscht. Vielleicht war sein Wille stark genug.«
»Du bist Jerbil«, sagte sie leise. »Sag du mir, ob es so ist.«
»Ich bin nicht er«, widersprach ich. »Aber es mag sein, dass er ein Teil von mir ist. Doch er kam nicht zurück, finde dich damit ab, Serafine. Vielleicht war das der Preis, den er zahlen musste.«
Sie lächelte und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Aber du verstehst, Havald, dass ich es nicht glauben will? Du verstehst, dass ich nicht vernünftig sein, es nicht akzeptieren will?«
»O ja«, sagte ich mit Inbrunst. »Das verstehe ich nur zu gut.«
14. Alte
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