Der Kruzifix-Killer
dominierende Typ unter den Opfern – alt, jung, weiblich, männlich, schwarz, weiß, blond, braunhaarig, was auch immer?«
Erneut betrachtete Garcia sorgfältig die Fotos. »Alles, was du aufgezählt hast, den Fotos nach zu urteilen.«
»Wieder ein ziemlich breites Spektrum, nicht?«
Garcia zuckte mit den Schultern.
»Über ein weiteres Kriterium geben die Fotos keinen Aufschluss, nämlich über den sozialen Status der Opfer. All diese Menschen kamen aus ganz unterschiedlichen sozialen Milieus – arm, reich, Mittelschicht, religiös, nicht religiös, vollbeschäftigt und arbeitslos …«
»Ja, aber worauf willst du hinaus, Hunter?«
»Worauf ich hinauswill, ist, dass der Killer es nicht auf einen bestimmten Typus abgesehen hat. Bei jedem neuen Opfer haben wir in wochen- und monatelanger Kleinarbeit versucht, irgendeine Verbindung zu den anderen Opfern herzustellen. Arbeitsplatz, Vereine, Nachtclubs, Bars, Universität, Schule, Geburtsort, Freunde und Bekannte, Hobbys, Familienstammbaum und so weiter, immer wieder mit demselben Ergebnis: nichts. Keinerlei Gemeinsamkeiten. Wir fanden immer mal wieder irgendwas, was zwei der Opfer miteinander verband, jedoch nicht die anderen, nichts, was auf Dauer standhielt. Wenn wir bei zwei Opfern eine Kette zu entdecken glaubten, dann brach sie spätestens beim dritten und vierten wieder ab, so dass wir wieder ganz am Anfang standen. Aus unserer Sicht könnten diese Opfer rein zufällig ausgewählt worden sein. Der Killer könnte bei der Auswahl im Telefonbuch geblättert haben. Und wenn er ihnen nicht das Symbol eingeritzt hätte, könnten es sieben verschiedene Opfer von sieben verschiedenen Tätern sein – mit unserem neuen Opfer acht. Nichts ist identisch, abgesehen von dem Ausmaß an Folterqualen, das die Opfer erdulden mussten. Dieser Täter ist eine völlig neue Gattung von Serienkiller. Er ist einzigartig.«
»Die Verbindungen, die du zwischen einzelnen Opfern herstellen konntest – was für Verbindungen waren das?«
»Zwei der Opfer lebten in South Central L.A., nur ein paar Häuserblocks voneinander entfernt, doch die übrigen kamen aus der ganzen Stadt. Zwei andere Opfer, Nummer vier und Nummer sechs« – Hunter deutete auf die beiden Fotos an der Wand –, »gingen in dieselbe Highschool, allerdings nicht zur selben Zeit. Diese Gemeinsamkeiten waren eher zufälliger Natur, kein Durchbruch. Nichts Konkretes.«
»Gab es immer ein bestimmtes Zeitintervall zwischen den Morden?«
»Auch hier: völlig willkürlich«, sagte Hunter. »Die Abstände reichten von wenigen Tagen zwischen dem dritten und vierten Opfer bis hin zu Monaten. Und bis zu unserem jetzigen Opfer sogar ein Jahr.«
»Wie steht’s mit den Fundorten der Leichen?«, fragte Garcia.
»Hier drüben ist ein Stadtplan, auf dem sie eingezeichnet sind. Komm.« Hunter entfaltete einen großen Plan von Los Angeles, auf dem sieben zehncentstückgroße rote Kreise eingezeichnet waren. Neben jedem Kreis stand eine Ziffer.
»Das sind die Fundorte, chronologisch nummeriert.«
Garcia sah sich die Lage der Fundorte in Ruhe an. Die erste Leiche war in Santa Clarita gefunden worden, die zweite in Downtown Los Angeles, und die weiteren lagen über das gesamte Stadtgebiet verstreut. Garcia musste zugeben, dass es auf den ersten Blick ziemlich willkürlich aussah.
»Auch hier haben wir wieder alles versucht, verschiedene Sequenzen und Muster. Wir haben einen Mathematiker und einen Kartographen hinzugezogen. Das Problem ist: Wenn man eine Ansammlung willkürlicher Punkte lange genug anstarrt, dann geht es einem, wie wenn man die Wolken am Himmel anstarrt – irgendwann fängt man zwangsläufig an, Figuren oder Formen zu erkennen, nichts, was wirklich da wäre, nichts, was uns irgendwie weiterbringen könnte. Es ist bloß die eigene Phantasie, die einem einen Streich spielt.« Hunter setzte sich an seinen Schreibtisch, während Garcia noch immer die Karte betrachtete.
»Er muss irgendein Muster haben. Alle haben das.«
Hunter lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Du hast recht, gewöhnlich haben das alle, aber wie schon gesagt, der Kerl ist anders. Er hat keine zwei Opfer auf dieselbe Art getötet, er versucht jedes Mal irgendetwas Neues – als ob er experimentieren würde.« Hunter schwieg einen Augenblick und rieb sich die Augen. »Einen Menschen zu töten, selbst wenn es der soundsovielte Mord ist, ist nie einfach, egal wie viel Erfahrung jemand darin hat. In fünfundneunzig Prozent der Fälle ist
Weitere Kostenlose Bücher