Der Kruzifix-Killer
Stirn. Ein paar Augenblicke später schnippte er mit den Fingern und deutete auf Hunter. »Prostituierte«, sagte er triumphierend.
Hunter lächelte anerkennend. »Und da weiß ich zufällig genau, an wen wir uns wenden müssen.«
»Na dann los«, schlug Garcia eifrig vor.
»Nicht jetzt. Den erreichen wir nur nachts. Hast du heute Abend schon was vor?«, fragte Hunter mit einem Augenzwinkern.
»Willst du mich auf ein Date einladen?«
Diesmal war es Hunter, der seinem Partner den Mittelfinger zeigte.
16
G eorge Slater verließ sein Büro in der renommierten Anwaltskanzlei Tale & Josh wie jeden Tag um halb sieben am frühen Abend. Seine Frau Catherine wusste, dass sie heute nicht mit dem Abendessen auf ihn zu warten brauchte: Es war Dienstag, sein »Pokerabend«.
Slaters äußere Erscheinung war unauffällig. Aus einer Menschenmenge hätte er sich nicht weiter abgehoben, doch niemand hätte leugnen können, dass er sympathisch wirkte. Er war eins fünfundsiebzig groß, hatte dunkelbraune Augen und ebensolche Haare, dazu trug er ein stets makelloses Outfit, mit dem er seine eher schmächtige Statur gut zu kaschieren verstand.
Während er im Autoradio die Nachrichten hörte, fuhr George in seinem luxuriösen M-Klasse-Mercedes Offroader zu einer kleinen Mietwohnung in Bell Gardens. Er hatte die Wohnung im Internet gefunden und sie direkt, ohne Umweg über einen Makler, beim Eigentümer angemietet. Als Gegenleistung für dessen Verschwiegenheit hatte George die Miete in bar bezahlt – für das gesamte Jahr im Voraus.
Zwei Ausfertigungen einer handgeschriebenen Vereinbarung und eine Quittung über die entrichtete Mietsumme waren alles, was an Belegen zu der Transaktion existierte. Kein seitenlanger Vertrag, kein Schriftverkehr, der sich zurückverfolgen ließe. Sogar der Name auf der Vereinbarung war erfunden: Wayne Rogers. George überließ nichts dem Zufall. Niemand konnte die Mietwohnung mit ihm in Verbindung bringen.
Das Apartment lag in einer sehr ruhigen Straße am äußersten Rand von Bell Gardens, was George bestens passte. Es bedeutete, dass sein Kommen und Gehen von wenigen Leuten beobachtet würde. Die Tiefgarage bot ihm zusätzlich Schutz vor neugierigen Blicken.
Die Zweizimmerwohnung war nicht gerade geräumig, doch sie erfüllte ihren Zweck. Auch die Einrichtung war alles andere als üppig. Die Eingangstür führte direkt in das kleine, weißgestrichene Wohnzimmer. Ein schwarzes Ledersofa stand mitten im Raum mit Blick auf eine leere Wand – kein Fernseher, keine Bilder, kein Teppich oder Läufer auf dem Boden. Abgesehen von dem Sofa war das einzige weitere Möbelstück ein Zeitungsständer. Die Küche war klein und pieksauber, der Herd unbenutzt. Im Kühlschrank gab es nie mehr als ein Dutzend Flaschen Bier, ein paar Schokoriegel und einen Karton Orangensaft. Das Apartment war nicht zum Wohnen gedacht.
Am Ende eines kleinen Flurs lag ein Schlafzimmer mit angrenzendem Bad. Ein extravagantes Doppelbett mit pompösem Eisengestell stand an der Wand gegenüber der Tür. Links davon war ein komplett verspiegelter Einbauschrank. Das Licht wurde mit einem Dimmer geregelt – dem »Stimmungsschalter«, wie George ihn nannte. Das Schlafzimmer war der wichtigste Raum in der Wohnung.
George schloss die Tür hinter sich, stellte seinen Aktenkoffer neben dem Sofa auf den Boden und ging in die Küche. Er holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank, machte es auf und ging damit wieder ins Wohnzimmer. Das eiskalte Getränk war eine Wohltat an diesem unerträglich heißen Tag. George trank die halbe Flasche leer, bevor er es sich auf dem Sofa gemütlich machte und sein zweites Handy aus dem Aktenkoffer holte. Kaum jemand wusste von diesem zusätzlichen Handy. Schon gar nicht seine Frau. George trank an seinem Bier und las noch einmal die letzte SMS, die er erhalten hatte.
»Komme gegen 21.15. Kann es kaum erwarten.«
Die Nachricht war nicht unterzeichnet, aber das war auch nicht nötig. George, oder besser gesagt Wayne, wusste sehr wohl, von wem sie stammte: von Rafael.
Er hatte den eins fünfundachtzig großen jungen Mann puerto-ricanischer Abstammung vor einem Jahr über eine Begleitagentur kennengelernt. Zuerst war ihre Beziehung rein geschäftlich gewesen, doch schon bald entwickelte sich daraus eine heimliche Affäre. George wusste, dass Rafael sich in ihn verliebt hatte, doch obwohl auch er Gefühle für Rafael hegte, wäre ihm das Wort Liebe dafür zu stark gewesen – jedenfalls vorerst.
George
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