Der Kruzifix-Killer
ich zeige es Ihnen.« Dr. Winston suchte eine präparierte Glasplatte aus einem tragbaren Archiv heraus, legte sie auf den Objekttisch des Mikroskops und forderte die Detectives auf, sich die Probe anzusehen.
Hunter trat zum Mikroskop und beugte sich über das Objektiv. Er drehte an der Schärfeneinstellung und betrachtete die Probe einen Moment lang.
»Und was sehe ich hier, Doc? Es sieht aus wie … eine Horde wurmartiger Dinger, die wie kopflose Hühner herumwuseln.«
»Lass mich auch mal«, sagte Garcia im Ton eines eifrigen Studenten und schob Hunter beiseite. »Stimmt, ich sehe dasselbe«, verkündete er nach einem Blick ins Mikroskop.
»Diese wurmartigen Dinger sind Exemplare von Streptococcus pyogenes, meine verehrten Herren Studenten«, erklärte Dr. Winston im Professorenton. »Und nun sehen Sie sich die hier an.« Er holte einen anderen Objektträger aus dem Archiv und legte ihn anstelle des vorherigen ein.
Diesmal sah Hunter grüne, runde Dinger, die sich wesentlich langsamer bewegten als die vorherigen. Garcia warf ebenfalls einen Blick darauf.
»Ja und? Diesmal grüne runde Dinger.«
»Was Sie da sehen, ist Staphylococcus aureus.«
»Sehen wir vielleicht aus wie Biologiestudenten, Doc? Jetzt erklären Sie uns das bitte auf Englisch.« Garcia war nicht in Stimmung für Spielereien.
Dr. Winston rieb sich mit dem Handrücken die Augen. Er zog sich einen Stuhl heran, setzte sich und stützte den rechten Ellbogen auf dem Mikroskoptisch auf.
»Auf dem ersten Objektträger war Streptococcus pyogenes, ein wurmartiges Bakterium, das, wenn es in den menschlichen Körper gelangt, mehrere zerstörerische Toxine abgibt. Eines davon löst Scharlach aus.«
»Unser Mann ist ja wohl nicht an Scharlach gestorben. Das sind doch ganz andere Symptome«, wandte Hunter sofort ein.
»Geduld, Robert.«
Hunter hob kapitulierend die Hände.
»Ein anderes Toxin, das dieses Bakterium freisetzt, verursacht nekrotisierende Fasziitis.«
»Und das ist …?«, fragte Garcia.
»… die Krankheit aus der Hölle«, half Hunter mit sorgenvoll gerunzelter Stirn aus. »Heißt auch Flesh-eating Disease .«
»So wird sie im Volksmund genannt«, bestätigte Dr. Winston.
»Also, jetzt Moment mal«, sagte Garcia und machte mit den Händen das Auszeit-Zeichen. »Hab ich das eben richtig verstanden? Haben Sie gerade Flesh-eating Disease gesagt?«
Der Doktor nickte, doch bevor er etwas darauf sagen konnte, legte bereits Hunter los.
»Der Begriff ist eigentlich inkorrekt, da die Bakterien nicht wirklich das Fleisch fressen. Es ist eine seltene Infektion der Haut und der unteren Hautschichten. Dabei wird das Haut- und Muskelgewebe von freigesetzten Giften zerstört, wobei es allerdings so aussieht, als ob der Betroffene von innen heraus aufgefressen würde.«
Garcia schauderte und wich einen Schritt vom Mikroskop zurück. »Woher weißt du das?«, fragte er Hunter.
»Ich lese viel«, antwortete Hunter schulterzuckend.
»Sehr gut, Robert«, sagte Dr. Winston lächelnd und setzte die Lehrstunde da fort, wo Hunter aufgehört hatte. »Der Infizierte leidet zunächst unter grippeähnlichen Symptomen, zu denen sich rasch starke Kopfschmerzen, abfallender Blutdruck und beschleunigter Herzschlag gesellen. Dann fängt die Haut an, äußerst schmerzhafte, große, mit Flüssigkeit gefüllte Blasen und sonnenbrandähnliche Ausschläge zu bilden. Die betroffene Person erleidet einen toxischen Schock und verliert immer wieder phasenweise das Bewusstsein. Der gesamte Gesundheitszustand verschlechtert sich rapide, bis schließlich … der Tod eintritt.«
Garcia und Hunter schauten beide zu der Leiche hinüber. Die Blasen waren alle aufgeplatzt und hatten schorfige, wunde Stellen hinterlassen.
» 2004 trat erstmals eine seltene, aber noch ernstere Variante der Krankheit in Erscheinung, die meisten Fälle hier in Kalifornien«, fuhr der Rechtsmediziner fort. »Als Erreger entdeckte man einen mit dem Staphylococcus aureus verwandten Bakterienstamm, und zwar einen weitaus potenteren.«
»Das war der zweite Objektträger, der mit den grünen runden Dingern?«
Dr. Winston nickte.
»Ich erinnere mich an diese Sache«, sagte Hunter. »Es war allerdings nicht groß in den Medien. Es gab nur vereinzelte Berichte darüber.«
Dr. Winston erhob sich und ging zum Obduktionstisch zurück. Garcia und Hunter folgten ihm mit dem Blick.
»Das Ganze verläuft folgendermaßen: Die Bakterien dringen in den Körper ein und vermehren sich. Je mehr Bakterien,
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