Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
folgte Kostakis die Treppe hinauf, die die unangenehme Eigenschaft besaß, gleichzeitig klebrig und glitschig zu sein. Als sie an den Rand des Lichtscheins traten, den die aufgestellten Lampen boten, zeigte Kostakis auf einen Stapel Männerkleidung auf der obersten Stufe. » Sieht so aus, als hätte der Mörder ihn unter Drogen gesetzt und dann ins Treppenhaus und die Stufen raufgetragen. Er hat Vega in die Damenunterwäsche gesteckt, ihm die Kehle durchgeschnitten und die Treppe runtergestoßen. Der Pathologe geht davon aus, dass der Blutverlust ihn getötet hat, noch bevor er unten ankam.« Kostakis führte ihn wieder hinunter und hockte sich neben den Toten. » Die Leiche wurde ganz bewusst so hingelegt. Er ist nicht so gefallen. Der Mörder ist noch einmal die Treppe runtergekommen und hat Vegas’ Arme und Beine nach einer bestimmten Vorgabe ausgerichtet.«
Jordache runzelte ungeduldig die Stirn. » Wieso hast du mich hergerufen, Phil?«
Kostakis griff mit seinen behandschuhten Händen an Vegas’ Kopf und drehte ihn so, dass man sein Gesicht sehen konnte. » Deshalb.« Jordaches Blick fiel unwillkürlich auf die tiefe klaffende Wunde am Hals des Opfers. Der Mörder war so kräftig gewesen, dass sein Messer mit nur einem einzigen Schnitt beinahe den gesamten Kopf abgetrennt hatte. Dann sah Jordache das blutverschmierte Blatt Papier, das auf Vegas’ Stirn geheftet worden war und sein Gesicht verdeckte. Darauf stand mit bunten Filzstiften, jeder Buchstabe in einer anderen Farbe, eine zweizeilige Botschaft:
DIENE DEM DÄMON
RETTE DEN ENGEL
Warum hatte der Mörder für so etwas wertvolle Zeit investiert?, fragte sich Jordache.
» Wir wissen noch nicht, was diese Botschaft bedeuten soll«, sagte Kostakis. » Aber sehen Sie mal, worauf sie geschrieben wurde.« Jordache betrachtete das blutverschmierte Stück Papier genauer, und nun verstand er, warum Kostakis ihn hergerufen hatte. » Verstehen Sie jetzt, was ich meinte, als ich gesagt hab, das ist ein sensibles Thema?«
Jordache konnte es sich nur zu gut vorstellen. » Ja Phil, ich versteh’, was du meinst.« Er dachte an Nathan Fox und fragte sich, was der Psychiater wohl dazu sagen würde.
» Was wollen Sie jetzt tun, Chief?«
» Ich will natürlich den Scheißkerl finden, der das getan hat.«
» Aber, sagen wir es …«
» Nein. Wir werden es niemandem sagen. Noch nicht. Überleg doch mal, Phil. Was sollte uns das bringen?« Er dachte wieder an die rätselhafte Botschaft und fragte sich, was das wohl zu bedeuten hatte. » Wir müssen sehr vorsichtig vorgehen. Bei der ganzen Medienpräsenz könnte die einzige Verbindung zwischen den beiden auch bloß im kranken Geist des Mörders bestehen. Ich denke, wir sollten das Ganze erst mal für uns behalten und uns auf das konzentrieren, was wir am besten können: die Spuren am Tatort auf irgendwelche Hinweise oder Motive zu untersuchen – alles, was uns helfen könnte zu verstehen, wie der Kerl tickt – und nach Zeugen zu suchen. Irgendjemand muss schließlich was gesehen haben.«
Kostakis nickte. » Aber was denken Sie, Chief? Ganz inoffiziell.«
Obwohl er gerade erst zu Abend gegessen hatte, und trotz der Umgebung, in der er sich gerade befand, verspürte Jordache plötzlich das ungeheure Verlangen nach einem cholesterintriefenden Cheeseburger. » Ganz inoffiziell, Phil, ich weiß es nicht. Aber ich habe das ungute Gefühl, dass wir es nur zu bald herausfinden werden.«
10
Unberührt von den Ereignissen am anderen Ende der Stadt, lag Jane Doe in ihrem Bett in Tranquil Waters und schlief. Sie hatte die 10 mg Diazepam und 50 mg Chlorpromazin, die man ihr für die Nacht verschrieben hatte, abgelehnt. Die Begegnung mit Dr. Fox hatte sie ein wenig beruhigt, und sie fühlte sich wohl in ihrem neuen Zimmer, besonders nachdem sie das Bett in die Mitte des Raums gerückt hatte.
Doch mit dem Schlaf kehrten auch die bruchstückhaften Albträume zurück, die sie plagten, seit sie ihr Gedächtnis verloren hatte: aufgeschreckte Pferde mit panisch geblähten Nüstern, die in immer engeren Kreisen umhergaloppierten; ein riesiges Auge, das von einem hohen Turm auf sie herabstarrte; eine gesichtslose Figur, ein Mann, und doch nicht wirklich menschlich, der sie wie wahnsinnig durch die Zimmer eines gespenstisch stillen Hotels jagte, das nur von Toten bewohnt war.
Noch lange vor der Dämmerung, als ihr feindseliger Verfolger gerade den Arm ausstreckte, um sie an der Schulter zu packen und dorthin zurückzuzerren, woher
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