Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
Irrational und somit immun gegen jede Logik schlug dieser Gedanke rasch Wurzeln und begann zu wachsen. Als Fox seine Entdeckungen ausdruckte und in seiner Tasche verstaute, fand er noch ein Dokument, das die verrückte aber hartnäckige Idee, die in seinem Kopf bereits Knospen bildete, weiter mit Nahrung versorgte. Während er es durchlas, begann er, sich Notizen zu machen, die meisten davon Fragen, unmögliche Fragen. Er wollte gerade die Hand ausstrecken und zum Hörer greifen, als sein Blick auf die Uhr an der Wand fiel. Es war Zeit, Jane Doe zu besuchen.
11
Jane Doe schien sich in ihrem neuen Zimmer wohlzufühlen, und so hatte Fox arrangiert, sie dort zu treffen. Während er den Gang entlangschritt, beschloss er, ihr nur dann von den Selbstmorden zu berichten, wenn es notwendig war oder hilfreich sein konnte. Als er an ihrem Zimmer ankam, öffnete Jane Doe die Tür, noch bevor er anklopfen konnte. Ihr schönes Gesicht wirkte müde, aber erwartungsvoll.
» Hallo, Dr. Fox«, begrüßte sie ihn, ließ ihn eintreten und deutete auf den Stuhl unter dem Fenster. » Willkommen in meiner bescheidenen Bleibe.«
Dann geschahen zwei Dinge.
Das erste war in sich nicht wirklich bedeutsam, bloß peinlich, aber Jane Does Reaktion darauf war es sehr wohl: Als Fox seine Tasche auf den Tisch stellte und zum Stuhl hinüberging, stolperte er über einen ihrer Schuhe, der dort auf dem Fußboden lag. Er fing den Sturz ab, verdrehte sich dabei aber das rechte Handgelenk. Jedem anderen wäre die winzige Handbewegung entgangen, die sie machte, während sie sich entschuldigte und versuchte, ihm wieder auf die Beine zu helfen, aber es war exakt die gleiche Geste, die Fox gemacht hätte, wäre er an ihrer Stelle gewesen und hätte gesehen, was sie gesehen hatte: Sie rieb sich das linke Handgelenk.
Er setzte sich auf den Stuhl und beobachtete, wie sie sich im Schneidersitz auf dem Bett niederließ. » Haben Sie das gespürt?«, fragte er. » Hat Ihr Handgelenk wehgetan, als ich gefallen bin?«
» Nur ein bisschen.«
Das erschien ihm bemerkenswert, wenn auch nicht zwangsläufig relevant, und er schaute sich im Zimmer um. » Warum steht das Bett mitten im Zimmer?«
» Es ist angenehmer, wenn es nicht direkt an der Wand steht.«
Er dachte darüber nach und auch über ihre Angst, eingeschlossen zu werden, und fragte sich zum wiederholten Mal, ob sie nicht vielleicht doch eine Gefangene der russischen Menschenhändler gewesen war. » Können Sie sich an irgendetwas an dem Ort erinnern, von dem Sie die Mädchen gerettet haben? Oder an die Männer, die sie gefangen hielten?«
Sie schüttelte den Kopf. » Nein, überhaupt nicht. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, dass ich die Zellen aufgebrochen habe. Hat mich jemand dort erkannt?«
Jetzt war es an Fox, mit dem Kopf zu schütteln. » Nein. Keiner scheint Sie vor dieser Nacht schon einmal gesehen zu haben.« Er zeigte auf ihren Hals. » Darf ich das mal sehen?«
Sogleich schnellte ihre Hand nach oben und umklammerte schützend das Medaillon. » Warum?«
» Ich würde mir nur gerne einmal das Foto darin anschauen.«
» Es ist ein Babyfoto.« Sie machte keine Anstalten, es ihm zu zeigen.
» Wissen Sie, wer das Baby ist?«
» Nein. Aber ich muss es einmal gewusst haben.«
Er lächelte. » Das Medaillon ist Ihnen sehr wichtig, nicht wahr?«
» Es ist meine einzige Verbindung zu meinem alten Ich.«
Er nickte und nahm ihre Patientenakte aus seiner Tasche. » Das verstehe ich.«
Und dann geschah noch etwas.
Als er die Akte auf seinen Schoß legte, zeigte sie auf den Namen, der auf dem Deckel stand, und sagte: » Irgendwie gefällt mir mein neuer Name. Ich mag den Geschmack, den er auf meiner Zungenspitze hinterlässt.«
» Den Geschmack?«
» Ja.«
» Wonach schmeckt ›Jane Doe‹?«
» Lachs und Schnittlauch.«
» Wonach schmeckt mein Name?«
» Sie wissen nicht, wie Ihr Name schmeckt?«
» Wonach schmeckt er für Sie?«
Sie schloss die Augen und sprach langsam seinen Namen, Silbe für Silbe, schmeckte ihn auf der Zunge. » Dok-tor Na-than Fox.« Sie lächelte. » Apfelwein und Sahne. Ziemlich lecker.«
Dieser bizarre Wortwechsel und die Art, wie sie über ihr Handgelenk gestrichen hatte, machten diesen ohnehin schon interessanten Fall noch faszinierender. Dann fiel ihm wieder ein, dass sie einzelnen Personen farbige Auren zuwies, und er verfluchte sich, weil er die Verbindung nicht schon früher erkannt hatte. Er zog Stift und Notizblock aus seiner Tasche und
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