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Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood

Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood

Titel: Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cordy
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etwas sehen?«
    Sie schüttelte den Kopf. » Nur Blitze, unzusammenhängende Bilder.« Sie wirkte erschöpft.
    » Berichten Sie einfach, was Sie sehen«, sagte er. » Nicht mehr und nicht weniger. Ohne irgendetwas zu analysieren oder zu interpretieren.« Sie lehnte sich gegen die Wand, und plötzlich veränderte sich ihr Gesicht. Sie war vorher schon blass gewesen, aber jetzt war sie kreidebleich. Ihre Nase zuckte, und wieder sah er das Bild eines verängstigten wilden Tieres vor sich. » Was sehen Sie jetzt?«
    » Nichts«, sagte sie, kaum mehr als ein Flüstern. Es klang, als spräche sie aus weiter Ferne. » Aber ich kann etwas riechen.«
    » Riechen?« Fox spürte, wie ihm selbst immer beklommener zumute wurde. » Was?«
    » Exkremente. Und Blut.« Sie sprach wie in Trance, in einem monotonen roboterhaften Ton. » Jetzt höre ich ein Surren, und ich kann die Fliegen sehen. Hastig sog sie die Luft ein, und Fox spürte, wie ihre Fingernägel sich tief in seine Handfläche bohrten. Sie zitterte merklich. » Jetzt sehe ich ihn.«
    » Wen?«
    Sie starrte auf eine Stelle in der Mitte des Raums, das Gesicht von Ekel und Angst verzerrt. » Den Mann.«
    » Was für einen Mann? Sagen Sie mir genau, was Sie sehen.«
    » Ich sehe immer wieder dieselbe Szene, wie in einer Schleife. Er hängt direkt vor mir. Nackt. Sein Schlafanzug ist zusammengeknotet, über den Deckenbalken und dann um seinen Hals geschlungen.«
    Fox schaute nach oben. Es gab keinen Deckenbalken. » Sprechen Sie weiter.«
    » Der Schlafanzug ist blau-weiß gestreift«, fuhr sie fort. » Die Exkremente laufen ihm an den Beinen runter und tropfen auf das umgedrehte eiserne Bettgestell unter seinen zuckenden Füßen. Ich kann die einzelnen Tropfen auf dem Metallrahmen hören, wie Wasser aus einem undichten Hahn. Ein umgestoßener Stuhl steht neben dem Bett.«
    Die Menge an multisensorischen Details war bemerkenswert. » Sie sprachen von Blut. Woher kommt es?«
    » Von dem anderen Mann.«
    » Dem anderen Mann?«
    Sie zeigte in eine Ecke des Zimmers. » Hier. Der hängende Mann ist nur schwach zu sehen, transparent, wie ein Geist. Aber dieser Mann hier ist deutlicher. Er sieht genauso echt aus wie Sie. Jedes Detail ist in natürlichen Farben, abgesehen von einem leichten Schatten, aber der kommt und geht, so als würde ich durch einen flackernden Filter schauen.«
    » Welche Farbe hat der Schatten?«
    Sie zeigte auf ein Usambaraveilchen auf der Fensterbank. » So wie diese Blume, aber viel, viel blasser.«
    » Haben all Ihre Halluzinationen diese flackernde Farbschattierung?«
    » Ja.«
    » Was macht der Mann in der Ecke?«
    » Er sitzt auf dem Boden und starrt zur Tür. Er trägt ein orangefarbenes T-Shirt mit einer gelben Comicfigur und dem Schriftzug ›Ay Caramba‹.« Sie schluckte. Schweißtropfen perlten auf ihrer Stirn. » Sein Hals und seine Handgelenke sind aufgeschnitten. Man sieht die weißen Sehnen und Nerven in den Wunden. Es ist, als wäre ich in der Hölle. Ich kann fühlen, was er fühlt. Ich spüre seine Schnitte an meinen Handgelenken und an meiner Kehle. Ich spüre die Verzweiflung, die ich in seinen Augen sehe. Ich schmecke das Blut in meinem Mund. Ich bin er.« Ihre monotone Stimme hatte sich in ein schmerzerfülltes klagendes Wimmern verwandelt. » Das Blut fließt in Strömen auf den Boden. Da ist eine Pfütze, direkt an meinen Füßen.« Plötzlich taumelte sie zurück, zog Fox mit sich und starrte auf ihre Zehen. » Ich kann nicht zulassen, dass es mich berührt, denn dann weiß ich, dass es real ist – so real wie Ihre Hand in meiner. Aber das Schlimmste ist nicht das Blut.«
    » Was ist es dann?«
    Sie ließ seine Hand los und hielt sich die Ohren zu. » Das Schreien. Der Mann starrt auf die Tür und schreit immer wieder die gleichen Worte: ›Marty, Marty, es tut mir so leid, Marty, aber du kannst mir nicht helfen. Keiner kann mir helfen, Marty.‹« Sie drehte sich um und verließ den Raum.
    Fox blieb noch einen Moment stehen und starrte in die Ecke des Zimmers, versuchte zu sehen, was sie gesehen hatte. Dann folgte er ihr hinaus auf den Gang.
    Obwohl Jane Doe nicht aufhören konnte zu zittern, hatte die Möglichkeit, ihre Erfahrung mit Dr. Fox zu teilen, diese irgendwie normaler, weniger angsteinflößend erscheinen lassen. Es war immer noch schrecklich gewesen, doch zum ersten Mal seit sie sich erinnern konnte, hatte sie eine leichte Distanz zu den entsetzlichen Erlebnissen gespürt. Es waren nicht mehr so sehr ihre Erlebnisse

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