Der Kulturinfarkt
erfahren, wo sie auf ihren Märkten stehen, und könnten ihre beruflichen Dispositionen unter klaren Voraussetzungen treffen, auch wenn das heißen würde, den Beruf zu wechseln. Das weiter oben skizzierte Modell kultureller Komplexe impliziert genau diese Entscheidung. Direkte Künstlerförderung obliegt genauso den produzierenden Kulturhäusern (das könnten auch Verlage und Aussteller sein) wie das Programm selbst. Sie sind ja die ersten Abnehmer der Kunst.
Es ist übrigens nicht herzlos, in einem Atemzug von Kunst und Markt zu sprechen. Die Kulturwirtschaft ist immer beides: Kultur und Wirtschaft. Würde alles gefördert, so erstickte die Kulturwirtschaft unter der schweren Hand des fördernden Staates. Es bestünde kein Grund mehr, nicht Künstler zu sein. Wer auf einem Markt agiert, kann scheitern. Das ist dessen heilsame Funktion. Es besteht kein Grund, der Kulturwirtschaft ein weiches Bett zu bereiten.
Wir schlagen vor, mehr aus Zielen heraus zu arbeiten, die Marktmechanismen zu berücksichtigen, öffentliche Förderung fokussiert einzusetzen. In Anmerkungen zu einigen kulturellen Handlungsfeldern und Kultursparten möchten wir wenigstens knapp darauf hinweisen, welchen spezifischen Handlungsbedarf wir dort sehen. Dabei sollen jeweils ein paar Sätze dazu genügen, wie sich die Felder aus einer kulturwirtschaftlichen Perspektive darstellen und wie Kulturpolitik und meritorische Kulturförderung mit den kulturwirtschaftlichen Strukturen zusammenspielen.
Bildende Künste: Museen als Motoren der Entwicklung
In den bildenden Künsten sind die öffentlichen Hände in dreifacher Hinsicht aktiv. Einmal tragen sie mit den Schulen und den Kunstakademien den Bildungssektor. Zum zweiten werden Künstler in vielen Formen und Ansätzen gefördert. Schließlich spielen öffentliche Museen und Ausstellungshallen eine wesentliche Rolle bei der Preisfindung im Markt zeitgenössischer Kunst. Während der Schulunterricht in der Kunst (genauso wie der Musikunterricht) eher lückenhaft ist, sind Kunstakademien gut ausgebaut und erfreuen sich großer Beliebtheit. Unter allen Kunstsparten ist die Arbeitswelt der bildenden Künstler am deutlichsten durch den freiberuflichen Status geprägt. Künstler agieren – wo sie nicht als Lehrende an einer Hochschule unterkommen oder ihre künstlerische Arbeit nur als Hobby ausüben – auf dem Markt. Dabei gewinnen nur wenige Reichtum und Berühmtheit, viele Künstler sind wenig erfolgreich, arbeiten unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen. Hinzu kommt: Der Kunstmarkt, ganz besonders der Markt zeitgenössischer Kunst, hat eine zwar nicht absolut feste, aber begrenzte Aufnahmefähigkeit für neue Werke. Besonders schwierig für Künstler ist es, in diesen Markt einzusteigen und Bekanntheit herzustellen. Entsprechend gibt es öffentliche Förderung für diese: Einstiegsprogramme, Ausstellungsförderung, Atelierförderung, Preise, Unterstützung erster Ausstellungen. Ordnungspolitisch problematisch ist an solcher Förderung, dass sie dem Nachwuchs eine Nachfrage suggeriert, die sich nach dem Auslaufen der Förderung nicht realisiert. Nicht zu unterschätzen ist, wie stark der Marktwert eines Künstlers durch Ausstellungen in Museen und renommierten Ausstellungshallen beeinflusst wird. Haben Künstler auf dieser Ebene Anerkennung gefunden, sind auch die Preise bei ihren Galerien hoch. Doch Museen und Ausstellungshäuser stehen selbst unter Erfolgsdruck, entsprechend sind sie nur sehr begrenzt in der Lage, eigene Akzente etwa in der Präsentation von Nachwuchs zu setzen. Die Selektion wird so eher erhöht, nicht die Sichtbarkeit vergrößert. Dies tun eher Kunstvereine – mit begrenzter Reichweite, meist auch sie mit öffentlicher Förderung. In den letzten Jahren ist der Kunstmarkt enorm gewachsen; er hat sich als krisenresistent erwiesen. Er profitiert von der Aufbauarbeit der öffentlichen Einrichtungen und setzt enorm viel Kapitel um. Dabei gibt es, ähnlich den Literaturverlagen, Galerien, welche sich mit großem Engagement für ihre Künstler einsetzen. An der Lage der Mehrheit ändert dies allerdings wenig. Zu groß ist der Zustrom.
Museen können nicht nur Orte der Präsentation sein, sondern müssen zu Motoren der Kunstentwicklung werden. Die größte Herausforderung liegt in der Überzahl an Museen, die durch Schenkungen an den Staat laufend wächst. Eine Begrenzung der Förderung auf Schlüsselhäuser kann dies lösen. Die Umwandlung dieser Häuser in kulturelle Komplexe,
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