Der Kulturinfarkt
denen die Förderung der individuellen Künstler in ihrem Einzugsgebiet mittels Projektfinanzierungen und Residenzen genauso obliegt wie der Einbezug der interessierten Laien in Vermittlungsprogramme und Ausstellungsgestaltung, ist vorrangig. Die Erweiterung der Ausstellungen und der Sammlungspräsentationen ins Internet versteht sich von selbst, sodass das Museum rund um die Welt reicht. Dazu braucht es, wir wissen es, ein entsprechend einfach gestaltetes Urheberrecht.
Die individuelle Künstlerförderung würde im Wesentlichen über Museen, Kunsthallen und Galerien abgewickelt. Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, ist die Finanzierung von Messepräsenzen und subsidiär von Ausstellungen in ausländischen Museen unerlässlich.
Darstellende Künste: Theater und Musikbühnen als Drehscheiben
In Oper, Theater und Tanz geht es im deutschsprachigen Raum sehr akzentuiert öffentlich zu; mit den entsprechenden Institutionen hat die öffentliche Finanzierung unter bürgerlichem Regime begonnen. Der überwiegende Teil der öffentlichen Mittel fließt in diesen Bereich. Das Angebot konzentriert sich inzwischen auf die großen öffentlichen Theater. Ein Privattheatersektor existiert nur noch in Resten; dafür ist eine Landschaft unabhängiger Theater- und Tanzgruppen entstanden. Die Aufgabe der Zukunft wird es sein, das öffentliche Theaterangebot anzupassen, entweder durch Rückbau oder Umbau. Umbau meint: Weg vom Ensembletheater hin zu einem europaweit vernetzten Koproduktionssystem, in dem Häuser flexibel und ressourcenangepasst operieren können. Damit käme die freie Theater- und Tanzszene endlich zu den verdienten Arbeits- und Auftrittsmöglichkeiten bei deutlich geringeren Kosten. Natürlich wird es immer einige repräsentative große Bühnen brauchen, die die Tradition des Sprechtheaters fortsetzen, nur sind ihre Aufgaben sehr viel weiter gespannt – von der Autorenförderung über den Verlag für Theaterliteratur bis hin zur regelmäßigen Arbeit mit Laien. Im Zentrum stehen in jedem Fall die Häuser als Drehscheiben zwischen Produktion und Nachfrage; ihnen muss mehr steuernde Verantwortung zukommen, auch was den Nachwuchs an Schauspielern und Tänzern, an Autoren und Choreografen angeht. Nur wenn die Drehscheiben mehr Einfluss haben, lässt sich die Überproduktion an Rohstoff begrenzen.
Ganz ähnlich wird es auf den Musikbühnen zugehen. Es wird weniger subventionierte geben (dafür mehr private), diese aber werden ein gewichtigeres (und kostspieligeres) vertikales Pflichtenheft haben. Die Förderung einzelner Künstler, von Ensembles und Komponisten wird ihnen übertragen, Allianzen mit Hochschulen und Rundfunkanstalten sind Selbstverständlichkeiten. Sie werden sich, da zum größten Teil Gastspielhäuser, sehr viel mehr den Laien öffnen und, vor allem im Mittelfeld, sich stilistisch eindeutig profilieren. Festivals werden feste Häuser teilweise ersetzen, öffentlich finanziert nur da, wo keine Konkurrenz in Sicht ist und regional identitätsstiftende Bedeutung sich absehen lässt.
Reproduzierte Künste: Neue Produktions- und Vertriebsformen
Die Tonträgerproduktion ist jene kulturindustrielle Sparte, die zuerst und sehr heftig von der Digitalisierung betroffen war. Sie hat diesen Umbruch längst hinter sich, ohne dass deswegen weniger Musik produziert würde. Sie ist höchstens günstiger geworden für den Konsumenten. Und dagegen lässt sich nichts sagen, auch wenn es den Selektionsdruck auf die Musiker erhöht. Doch Druck ist nicht schlecht, er ist angesichts eines ins Maßlose gestiegenen Outputs sogar gewünscht. Ganz zu schweigen davon, dass jedem und jeder dank Internet die musikalischen Schätze aller Kulturen zugänglich sind.
Die letzten Jahre waren sehr dramatisch. Die Wertschöpfung durch die Verbreitung von Tonträgern brach fast zusammen, bevor nun im Internet Ansätze dafür entstehen, dass auch digital Geld verdient werden kann. Es ist dies jedoch deutlich weniger Geld als zuvor. Das Konzert, das Erlebnis »live«, gewinnt damit relativ an Bedeutung. Die Musikindustrie liefert das beste Beispiel für das kreative Desaster: wie der Zusammenbruch vertrauter Strukturen die Innovation beflügelt und die Zugänglichkeit ästhetischer Erzeugnisse radikal verbessert – keine Ecke der Welt, in der Downloads nicht der Schlüssel zum globalen Schatz sind. Klar ist, dass hier kulturwirtschaftliche Förderkonzepte greifen können. Neue Formen von Produktion und Vertrieb, von
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