Der Kulturinfarkt
Guggenheim Museum, sei es der Suhrkamp Verlag, sei es die Fondation Beyeler. Heute ist es umgekehrt: Staatlich gestützte Einrichtungen ersticken neue Initiativen und bedrohen existierende.
Kulturpolitik muss nicht nur dynamische Elemente in sich aufnehmen und Raum für unkontrollierte – nicht über Anträge formatierte – Kunst und Kultur lassen. Sie steht auch in der Pflicht, alternative Finanzierungsformen zu ermutigen und zu erleichtern. Das begänne damit, dass Kultureinrichtungen und Freischaffende gerade nicht auf die Privaten verwiesen werden, wenn die Mittel nicht reichen. Im Gegenteil: Der Staat muss großzügig ausfinanzieren, wo er meritorische Güter produziert haben will. Es sollen keine Institutionen im Koma beatmet werden. Wo Subventionen fließen, müssen diese Zuwendungen neben den selbst erwirtschafteten Einnahmen die einzigen Einkünfte sein. Kultureinrichtungen arbeiten am Markt, und was sie dort nicht erwirtschaften können, weil ihr Auftrag auch »unrentable« Praktiken einschließt, muss der Staat decken. Private Gelder – von Sponsoren wie von Stiftungen – müssen Initiativen und Strukturen vorbehalten bleiben, welche keinen öffentlichen Leistungsauftrag ausüben und kein öffentliches Geld erhalten. Stiftungsgelder könnten vor allem an unabhängige Künstlerinnen und Künstler gehen, Sponsoring richtet sich ohnehin an Events aus.
Die Aufteilung der Finanzierungswelt in ein duales System, anstelle ihrer heute geforderten und praktizierten Vermischung, wäre ein wichtiges Korrektiv gegen den Trend, dass die öffentlich geförderten Schwergewichte, dort schon reichlich vergoldet, auch den Löwenanteil der privaten Gelder absorbieren. Anders als bei den deutschen Medien müsste die Bedingung allerdings sein, dass die öffentlich geförderten Einrichtungen gerade nicht die Rezepte der privaten kopieren. Privates Geld ist dort besonders erwünscht, wo es die blinden Flecken der öffentlichen Förderung behebt, wo neue Modelle entstehen und weitere Widersprüche Raum finden.
Das duale System würde die Entstehung neuer Strukturen außerhalb des kulturpolitisch kontrollierten Raumes im engeren Sinn begünstigen, außerhalb des tendenziellen Monopols der Meritorik also. Womöglich würde dadurch eine neue Unternehmerklasse gestützt, welche interessante künstlerische Produkte und Projekte umsetzt, ohne dass es um Shareholder Value geht. Es würde auf jeden Fall verhindern, dass privates Geld sich vermehrt, indem es auf öffentliches aufsitzt. Und dass die öffentlichen Mittel nur als Unterfütterung eines vergleichsweise bescheidenen privaten Engagements dienen. Es würde schließlich verhindern, dass dort zu wenig öffentliches Geld fließt, wo kulturelle Leistung öffentlich gefordert ist.
Dual reicht noch nicht. Eine vernünftige Steuergesetzgebung ermutigt Individuen und Firmen, ihr Geld philanthropischen Zwecken zukommen zu lassen, weil sie ihre Spenden von den Steuern absetzen können. Jede private Stiftung ist eine alternative Quelle, sie entscheidet nach eigenen Kriterien und Mechanismen. Und trägt so ein Stück zur Vielfalt des kulturellen Lebens bei.
Was die private Kulturfinanzierung angeht, entstehen in der digitalen Welt neue Möglichkeiten. Crowdfunding, in den USA binnen weniger Jahre enorm populär geworden, hält jetzt auch in Europa Einzug. In wenigen Worten: Eine Internetplattform – das amerikanische Vorbild heißt www.kickstarter.com, das deutsche und das österreichische Abbild davon www.nextstart.de beziehungsweise www.nextstart.at, das Schweizer Projekt www.wemakeit.ch; in allen Ländern mehren sich derzeit die Aktivitäten, die gemeinnützige Initiativen im breiten Sinne in den Fokus rücken – versammelt künstlerische Projekte, die Geld suchen. Auch dies zeigt, wie schnell Innovationen in einer unternehmerisch geprägten Umgebung aufgegriffen werden. Das Publikum ist aufgerufen, sich mit Klein- und Kleinstbeiträgen zu engagieren. Viele Projekte suchen ein paar Tausend Euro oder Franken, andere benötigen sechsstellige Beträge. Die Autoren mobilisieren ihre Fanbasis oder ihren Stamm. Die Plattform selbst wickelt das Technische sowie die Mikrozahlungen ab, vor allem aber begleitet sie die Künstler in der Präsentation ihres Projekts. Deshalb kostet sie; bei Kickstarter arbeiten circa 60 Leute vor allem in der Redaktion. Nur scharf umgrenzte Projekte, keine Institutionen lassen sich auf Crowdfunding aufbauen. Die Stärke dieses Ansatzes ist, dass Projekte
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