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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Zimmer, in dem Georg allein mit seinen Gedanken, und vor Ungeduld sich bald verzehrend, zurückblieb. – Und die Gouvernante kam noch immer nicht – aber sie hatte das Kind zu besorgen und eine volle Stunde mochte vergangen sein, ehe er ihren Schritt hörte. Gleich darauf trat sie ein und legte einige Briefe und Zeitungen auf den Tisch. Georg war aufgestanden und ging ihr entgegen.
    »Mademoiselle,« sagte er, die Hand nach ihr ausstreckend, »nehmen Sie vor allen Dingen meinen herzlichsten Dank für die zarte Weise, in der Sie in dieser Sache gehandelt haben, und nun, bitte, setzen Sie sich und erzählen mir mit kurzen Worten alles, was Sie wissen.«
    Während die Gouvernante der Einladung folgte, blieb Georg erwartungsvoll am Tische stehen.
    »Ich habe nur meine Schuldigkeit getan,« sagte das junge Mädchen, leicht dabei errötend, »werde Ihnen selber, Herr Baron, aberwenig Auskunft geben können – ich durfte nicht nachforschen, denn ohne etwas damit gut machen zu können, hätte ich die Aufmerksamkeit der Leute nur unnötigerweise und vor der Zeit darauf gelenkt.«
    »Sie hatten recht – vollkommen recht.«
    »Der erste Verdacht stieg in mir auf, als ich eine bedeutende Lücke in der Kinderwäsche bemerkte, nachdem die gnädige Frau mit Josefinen eine angebliche Spazierfahrt unternommen hatte. Auch eine Anzahl ihre Kleider fehlte – dann fand ich den Brief in Ihrer Stube – denn Angst und Ungewißheit ließen mich danach suchen, und ich nahm ihn an mich.«
    »Ich bin Ihnen dankbar dafür – aber wer glauben Sie, der mir weitere Auskunft geben könnte – oder haben Sie selber einen Verdacht? Es war ein Fremder hier. – Wie sah er aus?«
    »Ich habe ihn gar nicht gesehen; aber gleich nach Ihrer Abreise kam er, und obgleich er nur zweimal hier oben im Gute war, fürchte ich fast, daß er der Sache nicht fern steht. Unser Hausmädchen hat ihn wenigstens zu der Zeit, als Madame fortfuhr, zu Fuß, mit seinem Pelz auf dem Arm, in den Wald gehen sehen.«
    »Und welchen Weg nahm er?«
    »Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Der alte Forstwart aber hat die letzte Botschaft der gnädigen Frau, daß sie am vorigen Abend nicht nach Hause kommen würde, hereingeschickt. Möglich, daß er sie im Walde getroffen hat und etwas Näheres weiß.«
    »Der Forstwart – Gott sei Dank, da ist ein Faden, an den ich anknüpfen kann. Georgine fuhr im Schlitten?«
    »Ja, mit ihrem eigenen Pferde bespannt.«
    »Es ist gut – ich danke Ihnen; gehen Sie jetzt wieder zu Ihrer kleinen Schutzbefohlenen und seien Sie ihr Mutter, stehen Sie überhaupt meinem ganzen Hause vor, bis – ich selber wieder zurückkomme.«
    »Sie wollen doch nicht heut' abend noch ...«
    »Nein,« unterbrach sie Georg ruhig, »erstlich wäre es nicht möglich, im Dunkeln einer Spur zu folgen, und dann würde das auch Aufsehen erregen. Morgen früh reite ich fort – meine Frau in Kleinmarkstetten abzuholen – das genügt den Leuten. Sobald ich kann, schreibe ich Ihnen meine Adresse – wenn ich nicht selber indessen wiederkomme. Lange bleibe ich auf keinen Fall aus, es müßten mich denn ganz unvorhergesehene Hindernisse zurückhalten. Schlafen Sie wohl, Mademoiselle, und seien Sie versichert, daß ich Ihnennie vergessen werde, wie wacker Sie mir in dieser schweren Zeit beigestanden haben.«
    »Schlafen Sie wohl,« sagte das junge Mädchen schüchtern, und im nächsten Augenblick schloß sich die Tür wieder hinter ihr, während Georg noch wohl eine Stunde im Zimmer auf und ab schritt, ehe er sein eigenes Lager suchte.
    Am nächsten Morgen war Georg wieder mit Tagesgrauen auf und ging selber in den Stall hinunter, um zu sehen, daß sein Reitpferd ordentlich gefüttert und dann ihm vorgeführt würde. Das geordnet, schickte er einen Boten in das Forsthaus, dem alten Forstwart zu sagen, er möge auf ihn warten, bis er hinaus käme, und ging wieder in seine eigene Stube hinauf. Dort sah er flüchtig die eingegangenen Briefe durch, wozu er sich gestern abend keine Zeit genommen, trank den ihm gebrachten Kaffee und blätterte noch, bis das Pferd ausgefressen hatte, in den neben ihm liegenden Zeitungen. Er las wohl, aber er wußte nicht, was er las, seine Gedanken waren fern von da, und den Kopf in die Hand gestützt, ließ er das Blatt wieder sinken und starrte finster vor sich nieder. Endlich sprang er ungeduldig auf und sah nach der Uhr – es war noch zu früh – eine halbe Stunde mußte er dem Pferde noch Zeit gönnen, denn es hatte vielleicht

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