Der Kunstreiter
haben könnte. – An Herrn Baron von Geyfeln – der Name ist mir so fremd, wie der Mann es mir geworden, der ihn trägt. Seit Du die Bahn verlassen, Georg, in der ich Dich bewundern und lieben lernte, seitdem mußte ich mich zwingen, in Deiner Nähe auszuharren – und tat es nur des Kindes wegen, dem ich Mutter bin und bleiben werde. Deine Gesetze begünstigen Dich, daß ich nicht meinem Willen gleich von Anfang an folgen konnte. Ich habe jetzt Sorge getragen, daß sie nicht mehr imstande sein sollen, mich zu erreichen. Folge mir, wenn Du kannst, als Baron von Geyfeln, und reklamiere das Kind, das mein ist im vollen Sinne des Wortes. Doch Du wirst klug sein und nicht einmal den Versuch machen, von dem Du von vornherein wüßtest, daß er erfolglos bleiben würde. – Kehre zu Deiner früheren Kunst zurück, und ich will mit Freuden in Deine Armefliegen; verharre bei Deinem tatenlosen Leben und wir sind für immer geschieden.
Suche nicht meinen jetzigen Aufenthalt zu erforschen; wenn Du ihn selbst fändest, ich bin und bleibe für Dich verloren. Mein Kind aber werde ich einem Glück entgegenführen, das es unter Deiner Führung nimmer hätte erreichen können.
Lebe wohl!
Georgine.
Georg, der den Brief wieder und wieder durchgelesen hatte, hielt ihn noch in der Hand und starrte darauf nieder, als die Haushälterin mit der Magd ins Zimmer kam und das bestellte Abendbrot brachte. Georg faltete den Brief zusammen und steckte ihn in die Tasche, und die geschwätzige Alte hätte gern ein Gespräch mit ihm angeknüpft, er wehrte sie aber unter dem Vorgeben ab, müde zu sein, verzehrte sein Abendbrot schweigend und fragte nur dann und wann die Wirtschafterin, die sich indessen im Zimmer zu schaffen machte, nach verschiedenen, höchst gleichgültigen Sachen. Die Mamsell erzählte ihm dabei natürlich, daß, gleich nachdem er fort gewesen, auch Besuch gekommen wäre: ein fremder Herr, der ihn hätte sprechen wollen.
»So? – in der Tat?« sagte Georg ruhig, »wie hieß er?«
»Ja, das weiß ich wahrhaftig nicht. Er gab mir seine Karte, aber der Name stand mit so winziger Schrift darauf, daß ihn meine alten Augen nicht mehr lesen konnten. Es war aber ein Baron.«
»So? – und wie sah er aus?«
»Ein kleiner, sehr zierlicher Herr war es, sehr hübsch und sauber angezogen, mit einem kleinen schwarzen Schnurrbärtchen und solchen schwarzen Locken. Er war am nächsten Morgen noch einmal da, hat aber dann wohl nicht länger warten können, und da wir an dem Nachmittage – ach, das wissen der gnädige Herr ja auch noch nicht, daß der alte arme Tobias ertrunken ist!«
»Tobias? – wer ist Tobias?«
»I, der alte arme Teufel unten aus dem Dorfe – er war noch am Abend vor Ihrer Abreise hier oben und hatte wohl ein Glas zu viel getrunken, denn sonst habe ich ihn nie frech oder unverschämt gesehen, und Ew. Gnaden ließen ihn dann vom Hofe jagen.«
»Der ist ertrunken?«
»Er ist von hier aus nicht wieder ins Dorf gekommen. Ob er den Weg verfehlt hat, oder was sonst die Ursache war, Gott allein weiß es, aber am nächsten Morgen fischten sie ihn aus dem Bache untenauf, und gestern nachmittag haben wir ihn begraben – und solch eine schöne Leiche, wie der arme alte Mensch noch gehabt hat!«
»Der – ist – tot?« sagte langsam und sinnend Georg, »wunderbar!«
»Ach du lieber Gott!« meinte die Haushälterin, »abkommen konnte er ja schon; zu was nütze war er doch nicht mehr auf der Welt, und Hunger und Kummer hätten ihn so vielleicht bald untergebracht; aber es tut einem doch immer in der Seele weh, wenn ein Christenmensch auf solche Art eigentlich wie ein ander Stück Vieh auch, seinen Tod findet, wenn es auch nicht einmal ein Verwandter gewesen wäre.«
Georg hörte schon gar nicht mehr, was sie sprach. – »Sind noch Briefe oder Zeitungen für mich gekommen?«
»Briefe – ja, ich weiß es wirklich nicht. Der Postbote war da, die werden aber dann wohl bei Ew. Gnaden im Zimmer liegen.«
»Haben Sie den Schlüssel?«
»Den hat das Fräulein.«
»Dann bitten Sie das Fräulein, mir alles, was etwa für mich angekommen wäre – und auch meinen Schlüssel mit herüber zu bringen.«
»Jawohl, Herr Baron. – Ist der Tee etwa nicht heiß genug?«
»O, vortrefflich – ich bin nur abgespannt heut' abend und kann nicht viel genießen – ich werde mich ein wenig auf das Sofa legen.«
Die Wirtschafterin hatte Takt genug, dies als ein Zeichen zu nehmen, daß sie sich entfernen könne, und sie verließ das
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