Der Kunstreiter
auf den Vorsaal kam.
Die Haushälterin leuchtete mit dem Lichte den Heraufkommenden voran.
»Na, das ist schön, Herr Baron, daß Sie heute abend gekommen sind,« sagte sie dabei, »aber Ihr Zimmer habe ich nicht heizen lassen. Wir erwarteten Sie ja erst morgen – aber das von der gnädigen Frau ist warm – und die gnädige Frau wird wohl erst morgen wiederkommen.«
»Meine Frau ist nicht zu Hause?« sagte ruhig, aber erstaunt die tiefe Stimme Georgs.
»Nein – zum Besuche nach Kleinmarkstetten, mit dem gnädigen Fräulein.«
»Mit Josefinen?«
Mademoiselle Adele trat in den Schein des Lichtes. Es war der Baron selber, der zurückgekehrt, und während sich ein tiefer Seufzer ihrer Brust entrang, trat sie auf den Baron zu. Sie hatte ihre ganze Ruhe und Festigkeit wiedererlangt.
»Ah, Mademoiselle, guten Abend!« rief Georg ihr entgegen, »meine Frau ist mit Josefinen ausgeflogen, wie ich höre, und hier bringe ich Ihnen die kleine versprochene Gespielin für Josefine – ich werde sie so lange unter Ihren Schutz stellen müssen.«
Die Kleine drückte sich schüchtern an ihren Begleiter an, Adele aber, freundlich auf sie zugehend und sie küssend, sagte: »Sei uns willkommen, mein liebes Herz, in deiner neuen Heimat. Deine kleine Spielgefährtin ist freilich nicht da, aber sie wird bald wiederkommen, und du wirst dann ein liebes, braves Schwesterchen an ihr finden und sollst dich recht bald wohl und zufrieden bei uns fühlen.«
»Komm, Marie,« ermunterte sie auch Georg, »fürchte dich nicht vor der Dame, sie wird dir eine zweite Mutter werden und dich lieb haben. – Das Kind hat im Schlitten geschlafen,« entschuldigte er es dann gegen die Erzieherin, »und eben erst erwacht, erschrecken es die fremden Gesichter.«
»Das wird sich bald geben,« erwiderte das junge Mädchen freundlich, »ich dürfte Sie auch wohl bitten, Herr Baron, es selber in mein Zimmer zu führen, daß es die Scheu erst ein ganz klein wenig ablegt. Wir wollen dann schon bald recht gute Freunde werden. Ach, Mamsell, nicht wahr, Sie sorgen gleich dafür, daß der Herr Baron seinen Tee und die Kleine ein warmes Süppchen bekommt, nach der langen kalten Fahrt? – Wir brauchen kein Licht weiter – meine Tür ist offen.« »Jawohl – ei gewiß – du meine Güte, daran hatte ich gar nicht gedacht!« rief die alte gute Mamsell geschäftig, »das soll gleich besorgt werden, und ein delikates Süppchen will ich selber gleich dem armen kleinen Würmchen kochen. Lieber Gott, das herzige Dingelchen muß ja ganz erfroren sein im Schlitten!« Und ihr Licht noch emporhaltend, daß Georg und Adele mit dem Kinde durch das dunkle Zimmer ihren Weg finden könnten, eilte sie rasch wieder über den Gang hinüber, der Küche zu, alles Nötige selber anzuordnen.Georg überlief es dabei wie mit Fieberfrost – ein bittender Blick der Gouvernante hatte ihn getroffen – und er fühlte, es war etwas Außergewöhnliches vorgefallen. Rasch trat er in das Zimmer, und wie nur die Wirtschafterin weit genug entfernt war, sie nicht mehr hören zu können, sagte er leise und dringend in französischer Sprache: »Was ist geschehen, Mademoiselle? verhehlen Sie mir nichts.«
»Sie müssen alles wissen, aber – lassen Sie das Kind nichts merken,« bat die Gouvernante zurück. »Seit gestern ist Ihre Gattin mit Josefinen fort – diesen Brief hat sie für Sie zurückgelassen. Gehen Sie in das Zimmer Ihrer Gemahlin und lesen Sie dort die Zeilen – wenn ich Marien zu Bett gebracht habe, werde ich hinüberkommen, um mich zu erkundigen, was morgen mit ihr werden soll.«
Mit diesen Worten gab sie ihm den Brief, und Georg mußte sich gewaltsam zwingen, seiner Sinne bei der Schreckensbotschaft Meister zu bleiben. Aber die Gouvernante hatte recht. Das Kind durfte von dem Ungeheuren, was hier vorgefallen, nichts erfahren – nicht bei seinem Eintritt in dieses Haus, wo sich dem kleinen Kopfe jedes gehörte Wort nur so viel schärfer und unvergeßlicher eingeprägt hätte. Ruhig nahm er den Brief, den er, ohne ihn auch nur anzusehen, in die Brusttasche schob, sagte dann der Kleinen freundlich gute Nacht und verließ das Gemach. Wie er aber in das Zimmer seiner Frau kam, wußte er selber kaum. Dort warf er sich in einen Stuhl, erbrach den Brief, auf dem die Adresse: »An Herrn Baron von Geyfeln« stand, und las die wenigen Zellen, die er enthielt. Sie lauteten:
An Herrn Baron von Geyfeln!
Schon diese Überschrift nimmt meiner Handlung jedes Bittere, das sie sonst für mich
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