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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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sprach mit ihr, aber sie antwortete ihm nicht; ihr Auge hing an der Mähne des Ponnys, den sie ritt – ihre Gedanken waren weit, weit fort von hier.
    Mit Georg war plötzlich eine wunderbare Veränderung vorgegangen. Sein Auge haftete wohl noch auf dem Zuge, aber er sah ihn nicht mehr; sah nicht die faden Spaße, die der wie früher dahinterher reitende Clown, der alte Mühler, mit der Stadtjugend trieb, sah nicht das Volk, das lärmend, schreiend, vorbeidrängte. Er blieb still und regungslos am Fenster stehen, bis die letzten Reiter vorüber waren und sich die Zuschauer wieder dahinter schlossen. Dann drehte er sich langsam um, verließ das Lokal und schritt auf die Straße hinaus, wo er stehen blieb und sich umsah. Eine zweispännige Droschke kam eben den Weg langsam daher gefahren. Er winkte, und der Kutscher hielt neben ihm.
    »Nach Hamburg – Hotel de l'Europe.«
    »Sehr wohl.«
    »Du bekommst doppeltes Fahrgeld, wenn du mich so rasch dahin bringst, wie deine Pferde laufen können.«
    »Soll ein Wort sein,« sagte der Mann vergnügt. Georg stieg ein, und fort rasselte der Wagen über das Pflaster. Die Pferde liefen vortrefflich, und in verhältnismäßig kurzer Zeit hatten sie den bestimmten Platz erreicht.
    Georg, der schon vorher dem Kutscher das Fahrgeld gegeben, sprang aus dem Wagen und stand wenige Sekunden später im Stalle neben seinem Rappen.
    »Den Sattel – den Zaum!« war alles, was er sagte, als einer der Stalleute dienstfertig herbeisprang, ihm zu helfen. Er nahm dasGeschirr aber nur aus seiner Hand und legte es selber dem Pferde an. Er selber schnallte auch den Gurt und befahl dann, als er alles in Ordnung wußte, dem Knechte, das Pferd vor das Haus zu führen.
    »Wollen Herr Baron ausreiten?« sagte einer der geschäftig herbeieilenden Kellner.
    »Ja, bitte, lassen Sie mir aus meinem Zimmer die Reitpeitsche und den Plaid herunter holen, die zusammen auf dem Fauteuil liegen.«
    »Sehr wohl; Charles, Reitpeitsche und Plaid für den Herrn Baron – auf dem Fauteuil Nr. 21.«
    Der junge Bursche flog die Treppe hinauf und war wenige Minuten später mit den verlangten Sachen wieder unten. Georg festigte den zusammengeschnallten Plaid an seinem Sattel, nahm die Reitpeitsche mit ihrem schweren, bleigefüllten Griff, faßte den Zügel und flog im nächsten Augenblick die Straße hinunter. Sein wackeres Tier brauchte er auch nicht anzutreiben, denn durch den vollen Tag, den es im Stalle gestanden, war es schon ungeduldig und rastlos geworden. Aber er wollte es auch nicht vor der Zeit anstrengen, um seine Kräfte zu schonen. Überdies durfte er, sobald er in die engen Straßen einbog, nicht so rasch reiten, und sein Tier deshalb einzügelnd, trabte er, so schnell er hier noch vorwärts rücken konnte, seinem Ziel entgegen.
    Bald hatte er Altona erreicht, und um ja den günstigen Moment nicht zu versäumen, ritt er augenblicklich dem Zirkus zu, dem Zuge dort, wenn er etwa schon auf dem Rückwege wäre, zu begegnen – aber noch war alles still. Ein Briefträger, den er anredete und nach der Kavalkade fragte, sagte ihm, daß er die Kunstreiter vor kaum zehn Minuten dort irgendwo rechts hinunter gehört hätte. Wo sie jetzt wären, wüßte er nicht, aber jedenfalls müßten sie hier wieder vorbei. Georg wartete nicht darauf; er hielt der bezeichneten Richtung zu und heftete seine ganze Aufmerksamkeit dabei nur auf die abzweigenden Straßen, um nicht in diesen irre zu werden und seinen Weg im entscheidenden Augenblick zu verfehlen. Sein Plan war gefaßt; ernst und ruhig ritt er im Schritt die Straße nieder, dann und wann haltend, ob er die laute Blechmusik durch das Gerassel der Wagen und das Gelärm der lebendigen Stadt nicht hören könne. Noch ließ sich kein derartiger Laut unterscheiden; als er aber wieder eine Straße entlang geritten war, kalt und umsichtig dabei jedes mögliche Hindernis erspähend, und eben wieder um eine Ecke bog, schlugen die fernen Klänge der Trompeten deutlich an sein Ohr.Fast unwillkürlich zügelte er sein Tier ein, den willkommenen Tönen zu lauschen – deutlich unterschied er die Richtung, näher und lauter wurde der Lärm – es war kein Zweifel mehr, sie kamen gerade auf ihn zu. Das aber lag nicht in seinem Plane, mit dem er fest mit sich im reinen war; aber er dachte auch nicht daran, sich zu übereilen. Ruhig erwartete er das Näherkommen des Zuges, sein Herz klopfte dabei fast hörbar in der Brust, sein Gesicht war aschfahl geworden, aber keine Muskel regte sich, und

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