Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
Vom Netzwerk:
nur einen Schritt aus dem Hause ohne Karte gehe. Ich werde Sie dieser Sache wegen, wenn sich in der Tat alles so verhält, wie Sie sagen – nicht weiter belästigen. Verhält es sich aber nicht so, dann müßte ich doch suchen, näher mit Ihnen bekannt zu werden. Ich bitte um Ihre Karte oder ich begleite Sie bis in Ihre Wohnung.«
    »Ich weiß wahrhaftig nicht, ob ich mein Etui eingesteckt habe,« sagte von Silberglanz in äußerster Verlegenheit. »Sie können sich fest darauf verlassen, daß ich Ihnen kein falsches Wort gesagt habe.«
    »Bitte, sehen Sie nach ...«
    Der Baron fand, daß er den Mann nicht los wurde, ohne ihm zu willfahren. Flucht war unmöglich – der gewandte Kunstreiter hätte ihn in wenigen Sätzen eingeholt. Er blieb stehen und suchte erst eine Zeitlang in allen den Taschen, in denen er genau wußte, daß das Etui nicht stak.
    »Wenn ich Ihnen nun vielleicht meinen Namen aufschriebe,« bemerkte er dabei, als letzte Hoffnung auf Ausflucht.
    »Ich muß und will Ihre Karte haben,« lautete die unerbittliche Antwort, und von Silberglanz brachte endlich das verlangte Etui zum Vorschein.
    »Ah, wahrhaftig – da ist es doch – ich werde Ihnen gleich ...«
    »Bitte, erlauben Sie es mir,« sagte Georg ruhig, nahm ihm das Etui aus der Hand und wählte sich selber eine Karte aus, von der er überzeugt war, daß es keine fremde, erhaltene sei. Sie standen gerade unter einer der zahlreichen, hell brennenden Gasflammen, und er las den Namen laut:
    Baron Hugo von Silberglanz,
    »sagten Sie mir nicht vorhin, daß Sie Seitendorf hießen?«
    »Ich?« erwiderte verlegen von Silberglanz, »wohl kaum – die Namen klingen so ähnlich – Sie haben sich vielleicht verhört.«
    »Möglich – noch eins. Kann man leicht in Royazets Wohnung gelangen?«
    »Es ist ganz unmöglich,« versicherte der Baron schnell. »Sie müßten denn vorher durch einen ganzen Saal seiner Bereiter und – und Tänzer hindurch. Ihre Frau Gemahlin ist mit Fräulein Tochter in dem hintersten Teile der Wohnung einquartiert, und zwar drei Etagen hoch.«
    »Es ist gut. – Herr Baron, wie Sie mir jetzt gegenüberstehen, fühlen Sie jedenfalls selbst am besten; es bedarf keiner weiteren Worte. Ich hatte anfangs im Sinne, Sie nicht so leicht zu entlassen, aber ich sehe, daß ich von Ihnen keine weiteren Satisfaktionen verlangen kann. Gehen Sie; das aber schwöre ich Ihnen zu, begegne ich Ihnen noch morgen, nach Abgang des ersten Zuges, hier in Hamburg oder Altona, so befehlen Sie Ihre Seele Gott.«
    »Wenn ich den Zug versäumte, würde ich einen Extrazug nehmen, von hier fortzukommen,« rief von Silberglanz rasch. »Ich bedaure unendlich, Ihnen in dieser bösen Sache ...«
    Georg drehte sich kalt von ihm ab und schritt die Straße wieder zurück, dem Hotel zu, den Baron sich selbst und seinen eigenen, nichts weniger als angenehmen Gefühlen überlassend.

28.
    Am nächsten Morgen erhob sich Georg früh von seinem Lager, auf dem ihn der Schlaf die ganze lange Nacht geflohen hatte. Unzählige Pläne entwarf er dabei, aber nur um immer wieder zu fühlen,daß sie unausführbar wären, und keine Ruhe im Zimmer findend, kleidete er sich an, nach Altona zurückzugehen. Dort wollte er einen dänischen Advokaten als letzte Zuflucht aufsuchen, ihm den ganzen Fall erzählen und sehen, was er von ihm für Hilfe erhoffen durfte. Konnte der ihm nicht helfen, dann beschloß er, Gewalt zu brauchen. Wie das geschehen könne, wußte er freilich nicht, aber er vertraute auf sich und seine Kraft; für das übrige ließ er den Himmel sorgen. Den alten Forstwart konnte er jetzt natürlich nicht mehr gebrauchen. Er ließ ihn im Hotel zurück, schrieb ihm dessen Adresse genau auf und riet ihm dann, an den Hafen hinunter zu gehen und sich die Stadt anzusehen, bat ihn aber, um Mittag jedenfalls wieder zurück zu sein, da er nicht wüßte, was bis dahin vorfallen möchte. Dann ging er aus alter Gewohnheit zu dem Stalle, in dem er sein Pferd stehen hatte, nach diesem zu sehen, ob es ordentliche Pflege habe, und darüber beruhigt, schritt er langsam und recht schweren Herzens nach Altona hinüber.
    Es war noch früh, und obgleich er in Hamburg selber schon den besten und geschicktesten Advokaten Altonas erfragt, konnte er diesen doch noch nicht sehen. Der Herr hatte seine Sprechstunde von zehn bis zwölf Uhr – vorher nahm er niemanden an. Der Advokat wohnte ganz in der Nähe des Zirkus, und obgleich Georg nicht zu fürchten brauchte, zu so früher Stunde irgendwelchem

Weitere Kostenlose Bücher