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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Schiebkarren fuhr quer über die Straße – der Mann ließ ihn fallen und floh zur Seite; einem Vogel gleich schnellte der Rappe darüber hin, der graue Araber, den Royazet ritt, blieb dicht an seinen Fersen. Wagen kreuzten ihren Weg, aber die beiden, der leisesten Führung gehorchenden Pferde fanden kein Hindernis, das sie nicht überwunden hätten. Wie ein Blitzstrahl schoß der Rappe über den Boden, wie der Schein, der dem Blitz folgt, folgte ihm der Graue, und beide Pferde schienen den Boden, aus dem sie die hellen Funken schlugen, kaum zu berühren. – Aber der Araber war dem Rappen nicht gewachsen, und selbst wenn er ihn eingeholt, fühlte Royazet recht gut, daß er allein dem Vater das Kind nicht würde entreißen können. Doch seine Ehre als Reiter stand hier auf dem Spiele, und weiter undweiter jagte er sein schnaubendes Roß. Der seidene Mantel, den er trug, schlug im Wind – wild wehten seine Haare hinterdrein, denn das Federbarett hatte ihm der tolle Ritt schon lange entführt. Aber seine Hacken trafen des arabischen Hengstes Flanken; mit Stimme und Schlag feuerte er ihn an – zu mehr, als er zu leisten vermochte – den Rappen einzuholen.
    Wie in Erz gegossen saß dagegen Georg im Sattel. Sein dicht an seine Brust geschmiegtes Kind im Arm, das dunkle Auge in Siegesjubel blitzend, die Rechte mit der Peitsche bewehrt, so flog er dahin, sein Tier sich selber überlassend, wie eine Erscheinung an den entsetzt zur Seite Prallenden vorbei, bis Deutschlands Grenze, die Linie, die Altona von Hamburg scheidet, zwischen ihm und seinem Feinde lag. Noch ließ er seinem wackern Tiere die Zügel, bis er die nächste Häuserreihe fast erreicht. Jetzt wußte er, daß er auf deutschem Grund und Boden war, und nicht länger mehr brauchte er zu fliehen. – Wollte ihn sein Verfolger erreichen, hier hielt er ihm stand, und mit dem Willen fast parierte er sein Pferd, das so in voller Flucht, sich auf den Hinterbeinen hob, herumflog und wie angegossen stand. – Aber Royazet war klug genug, dem zum äußersten Getriebenen nicht auf sein eigenes Terrain zu folgen. Die Grenze bildete für ihn das letzte Ziel der Verfolgung, und dort sein Pferd so rasch und sicher parierend wie Georg, lenkte er es zurück, und war wenige Minuten später, beschämt, besiegt, zwischen den Häuserreihen Altonas verschwunden.
    Ein triumphierendes Lächeln zuckte um Georgs Lippen, aber es war nur ein Moment. Die Gegenwart nahm ihn genug in Anspruch – das andere lag dahinten. Rasch schnallte er den Plaid von seinem Sattel, denn sein wilder Ritt sowohl, wie die wunderliche Tracht des Kindes, das er vor sich trug, erregten die Aufmerksamkeit der ruhigen, an so etwas nicht gewöhnten Bürger Hamburgs – Neugierige begannen schon sich um ihn zu sammeln. Ohne Zögern hüllte er die Kleine in den weichen Plaid, nahm ihr das Barett vom Haupte, das er darunter barg, verdeckte ihr geschminktes Antlitz, und trabte dabei schon wieder scharf dem nächsten Tore zu. Aus Sicht den Leuten, und er war vergessen. In der Stadt selber konnte der auf schweißbedecktem Tier Vorübertrabende nur flüchtige Aufmerksamkeit erregen; die Leute dort hatten auch zu viel mit sich selber zu tun, sich noch um andere, Fremde zu bekümmern. So gewann er ohne weiteres Hindernis sein Hotel, sprang vom Pferde, das er dem Hausknecht übergab, um es rasch in den Stall führen und abzureiben, und trug sein Kind, noch eingehüllt in den Plaid, die breite Treppe selbst hinauf.
    Das Stubenmädchen erstaunte allerdings, als ihr der Auftrag wurde, so rasch als möglich Kinderkleider für die Kleine herbeizuschaffen; dort aber war das leicht. In einer halben Stunde hing Josefine, Freudentränen weinend, in einem dunkeln warmen Kleide an ihres Vaters Halse, und schon der Abendzug, der Hamburg verließ, führte sie mit dem Vater und dem alten erstaunten Barthold der Heimat wieder zu.

29.
    Wolf von Geyerstein saß allein in seiner Stube, den Kopf in die Hand gestützt, und vor ihm lag ein offener Brief Georgs:
    »Tausend und tausend Dank für Deine brüderliche Liebe, mein Wolf! – Du hast recht – meine Stellung hier, nach dem Vorgefallenen, ist, wenn auch nicht unhaltbar, doch höchst drückend. Durch jenen Herrn von Zühbig, wie Du aus meinen früheren Briefen weißt, und durch des alten Mühler trunkene oder seines Neffen boshafte Schwatzhaftigkeit ist mehr unter die Leute gekommen, als ich im Anfange selbst vermutete. Das Gerücht, was ich früher gewesen bin, hat Boden gefaßt, und

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