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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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erst als er die voranreitenden Trompeter nach sich einbiegen sah, lenkte er sein Pferd in eine kleine Gasse hinein, die hier schräg abbog und ihn vollständig verdeckt hielt. Dort ließ er den Zug, der wieder dem Zirkusplatze zuhielt und jedenfalls seinen Rundritt vollendet hatte, vorüber, und schon klangen die Trompeten, da der Schall durch eine neue Biegung der Straße gebrochen wurde, wie aus weiter Ferne, als das Pferd den leichten Schenkeldruck des Reiters fühlte.
    Der Zeitpunkt war gekommen, in dem er handeln mußte, und ein trotziges Lächeln zuckte zum erstenmal wieder seit langer Zeit um die fest zusammengepreßten Lippen des Mannes. Das Pferd bog in einem leichten Trab in die Hauptstraße ein, und eben konnte er noch die letzten des Zuges, die Clowns, erkennen, die mit dem Volke ihre Spaße trieben. Mühler war der tollste von allen. Aber nicht diesen fürchtete er mehr, denn wenn er ihn auch erkannte, was tat's? Ehe er die vorn im Zug Reitenden warnen konnte, war sein Plan schon gelungen – oder mißglückt, und mit der Gefahr, der er sich aussetzte, wuchs ihm auch der Mut. So kaltblütig hielt er jetzt in scharfem Trabe auf die voranziehende Kavalkade zu, als ob es sich nur um einen Spazierritt handle, und mit raschem Blick sich dabei orientierend, war er auch sicher, keinen Zoll breit seiner Bahn zu vergeben.
    Der Zug war gerade in eine der Hauptstraßen der Stadt eingebogen, die direkt auf den breit und hoch aufgeführten Zirkus des Monsieur Royazet zuführte; von weitem ließ sich schon das aus neuen Brettern aufgestellte Gebäude mit seinem schräg zulaufenden spitzen Dache erkennen. Georg übersah das alles; er hatte sein Terrain an diesem Morgen genau rekognosziert. Fest hielt er sein Tier im Zügel und lenkte jetzt um den Menschenschwarm herum, der die Hanswurste lachend und jauchzend umtobte. Allerdings hatten sich schon einige Reitet dem Zuge heute morgen angeschlossen, meist Neugierige, die ihn eine kurze Strecke begleiten und dann wieder, durch das Schauspiel ermüdet, davon abbogen. Die zu den Kunstreitern gehörendenPersonen interessieren sich aber natürlich für jedes Pferd, das sie sehen, besonders wenn es von edler Rasse ist, und der alte Mühler machte keine Ausnahme davon. Mitten in seinen Sprüngen und Neckereien, bei denen er rechts und links mit seiner klappernden Holzpritsche Schläge austeilte, haftete sein Auge an dem Pferde und fuhr erschreckt von ihm empor zum Reiter. Den Rappen konnte er nicht verkennen, und der leise Schreckensruf entfuhr seinen Lippen: »Beim Teufel – Georg!«
    So geschickt Mühler auch bisher gewußt hatte, trotz allen ausgeteilten Hieben, Angriffen auf ihn selber zu entgehen und die Lacher auf seiner Seite zu behalten, so ganz aus aller Fassung brachte ihn die plötzliche Erscheinung des Mannes, den er von allen auf Erden in diesem Augenblick am meisten fürchtete. Er hatte in der Tat alles andere um sich her in dem einen Angstgedanken vergessen, was der Mann jetzt mit Georginen beginnen würde. Die mußte er warnen, und er sprang nach seinem Pony, fühlte sich aber auch in demselben Augenblick wieder zurückgerissen, denn drei oder vier Jungen hingen an seinen Schößen und hielten ihn jauchzend fest. Wie der Blitz fuhr er freilich mit seiner Pritsche herum, aber die Jungen waren durch die früher erhaltenen Hiebe schon gewitzigt worden, und sich fest an ihn drängend und ihn mit ihren Armen umfassend, gaben sie ihm keinen Raum, sie ordentlich zu treffen. Das half ihnen indes nicht viel, denn die anderen Clowns ließen ihren Kameraden nicht im Stiche. Von beiden Seiten sprangen sie zu, und so derb hagelten diesmal die Prügel auf die ihnen verlockend genug zugedrehten Rückteile, daß die Bande, sehr zum Ergötzen des übrigen Publikums, heulend und schreiend auseinander stob. Mühler war aber dadurch in seinen Bewegungen gehemmt worden, und Minuten vergingen, ehe er seinen Pony wieder erreichte. In zitternder Hast warf er sich auf dessen Rücken, und seine Flanken mit den Hacken bearbeitend, sprengte er den Zug entlang, Royazet die gefährliche Nähe seines Nebenbuhlers zu melden und Georginen zu warnen.
    Lange vorher aber hatte Georgs wackerer Rappe seinen Herrn am Zuge hinaufgetragen. Die Blicke des Vaters suchten dabei und fanden das Kind, und wenige Sekunden später war er an dessen Seite.
    Josefine hatte an dem Morgen vergebens ihre Mutter gebeten, sie nicht mit auf die Straße zu nehmen. Bitten wie Tränen blieben gleich erfolglos: sie mußte,

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