Der Kunstreiter
zu sehen – konnte sich der Baron doch nicht gut über den finstern Ernst täuschen, der auf »Monsieur Bertrands« Zügen lag. Zu viel Weltmann dabei, einen so argen Mißgriff zu begehen, als jetzt noch einmal das Thema zu berühren, das, wie er fühlen mußte, seinem Wirte wenigstens kein angenehmes war, erwähnte er der neuen Bestätigung, die er in seinem ersten Erkennen durch Josefinens Erscheinen gewonnen hatte, mit keinem Worte, und warf sich jetzt, vielleicht mit etwas nur zu großem Eifer, auf ein Gespräch über Ackerbau und Viehzucht, das ihm vollkommen fern lag und von dem er kein Wort verstand. Georg aber war ihm dennoch dafür dankbar und ging rasch darauf ein. Trotzdem herrschte ein Mißton in der Unterhaltung, die unter diesen Umständen nicht natürlich fließen konnte. Der eine Teil verschwieg etwas, von dem der andere schon zu viel Kenntnis erlangt hatte, um es ungeschehen zu machen, und wenn auch das Gespräch bald auf die Jagd, dann auf die Nachbarschaft und die Unterhaltung im Winter hinüberwechselte, ließ sich der heitere Ton darin nicht wiederfinden. Herr von Zühbig sehnte deshalb die Zeit herbei, in der er sich auf sein eigenes Zimmer zurückziehen konnte, undGeorg kam ihm darin unter dem Vorwände zuvor, den reisemüden Gast nicht zu lange die nötige Ruhe und Bequemlichkeit entbehren zu lassen. Am nächsten Morgen beim Frühstück wollte man sich wieder treffen, und bis dahin war auch der Wagen, wie sich Georg indessen schon hatte erkundigen lassen, wiederhergestellt, damit die Reise ungesäumt fortgesetzt werde.
So früh indessen Herr von Zühbig an diesem Abend zu Bett gegangen war, so früh war er am nächsten Morgen wieder auf und – unten im Dorfe. Nicht aber um nur nach seinem Geschirr zu sehen – das würde er unter anderen Umständen allein seinem Kutscher oder Bedienten überlassen haben – sondern in einer Sache, die für ihn weit größere Wichtigkeit hatte: über die Geyfelnsche Familie nämlich so viel Nachrichten als möglich einzuziehen. Schon beim Schmied erfuhr er denn auch zu seinem unbegrenzten Erstaunen, daß das Gut Schildheim der Familie Geyerstein gehöre und Herr von Geyfeln nur der neue Pächter sei, der mit dem Grafen von Geyerstein vor noch nicht sehr langer Zeit hier eingetroffen wäre. Weiter vermochte ihm aber der Schmied keine Auskunft zu geben, und ebensowenig der Wagenmacher, das ausgenommen, daß der »gnädige Herr« noch außer seiner Tochter den Vater seiner Frau und einen Knaben, einen Neffen oder Vetter, bei sich habe. So viel einmal erkundschaftet, gelüstete es Herrn von Zühbig jetzt außerordentlich, noch mehr zu erfahren, denn daß die Residenz bei solcher Neuigkeit auch die kleinsten Details von ihm verlangen würde, verstand sich wohl von selbst; aber es gelang ihm nicht. Selbst der Wirt, der, als er den Stern betrat, nach durchschwärmter Nacht eben sein Bett verlassen hatte und ihn gähnend in Pantoffeln und Schafpelz mitten im Hausflur begrüßte, wußte keine nähere Auskunft, und Herr von Zühbig hätte auch mit Vergnügen – trotz seiner dringenden Geschäfte zu Hause – einen Tag in Schildheim zugegeben, seine Chronique skandaleuse zu vervollständigen, wenn ihm nur, dem Baron von Geyfeln gegenüber, der geringste haltbare Grund dafür eingefallen wäre. Das ging jedoch nicht an; der Wagen war leider fix und fertig; sein Diener hatte das Gepäck schon vom Gute heruntergebracht und eben begonnen, es wieder aufzuladen, und er mußte sogar eilen, daß er zu der bestimmten Zeit oben beim Frühstück eintraf.
Hatte er übrigens gehofft, hier noch einmal mit Georginen zusammenzutreffen, so sollte er sich darin getäuscht sehen. Georg empfing ihn allein und benachrichtigte ihn, daß sich seine Frau, einesleichten Unwohlseins wegen, entschuldigen ließe, zu so früher Stunde an ihrem Mahl nicht teilzunehmen. Das Frühstück wurde dann fast schweigend eingenommen, und Georg begleitete danach seinen Gast in das Dorf hinunter, um ihn sicher und schnell unterwegs zu sehen.
»Herr von Geyfeln,« sagte hier, als sie das Dorf fast erreicht hatten, der Baron, indem er sich zu seinem Begleiter wandte, »ich weiß wirklich nicht, wie ich Ihnen genug für die mir so herzlich erwiesene Hilfe und Gastfreundschaft danken soll. Ich wollte nur, daß Sie selber mir einmal Gelegenheit gäben ...«
»Sie haben ein Mittel, Herr Baron,« unterbrach ihn freundlich Georg, »und noch dazu eins, das den Dank ganz und gar auf meine Schultern werfen
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