Der Kunstreiter
...«
»Der Baron wird fürliebnehmen,« unterbrach ihn Georg, »ein Reisender ist darauf eingerichtet, oft in irgend dem ersten, besten Wirtshause zu kampieren, und die Bequemlichkeiten sind dort auch nicht immer ausgesuchter Art. Im Stern unten hätten Sie es keinesfalls besser gefunden und wahrscheinlich noch außerdem die ganze Nacht vor tobender Musik kein Auge schließen können.«
»Gewiß – gewiß,« stammelte der Baron, »aber – Sie verzeihen wohl meine Zudringlichkeit – doch nein, es ist nicht möglich – und doch – Herr von Geyfeln – Sie müssen mich wahrhaftig entschuldigen – diese – diese ...«
»Was ist Ihnen? Sie scheinen ganz außer sich zu sein!« sagte Georg.
»Das bin ich auch,« rief von Zühbig, indem er abwechselnd bald Georginen, bald Georg staunend und immer noch ungewiß anstarrte, »wahrhaftig, gnädige Frau – ich weiß in diesem Augenblicke nicht, ob ich auf dem Kopfe oder auf den Füßen stehe. Ich würde das Ganze auch nur für einen scharmanten, feenhaften Traum halten, wenn Ihre beiden Persönlichkeiten mich nicht eines Besseren belehrten; – aber ich muß Sie schon früher einmal gesehen haben – wenn auch unter anderem, wahrscheinlich angenommenem Namen. Wenn nicht, haben Sie beide entweder Doppelgänger, oder es besteht eine Ähnlichkeit zwischen vier verschiedenen Personen in der Welt, die ich bis zu diesem Augenblicke nicht für möglich gehalten hätte.«
Georgine errötete leicht und sah ihren Gatten an. Georgs Brauen aber zogen sich finster zusammen, und kaum fähig, seine Fassung zu behalten, sagte er: »Es finden sich oft Ähnlichkeiten auf der Welt, Herr Baron, die uns im Anfange stutzig machen – es gibt deren auch, die schmeichelhaft – andere, die es nicht sind. Das beste ist, man läßt sich nicht von ihnen beirren, und nimmt das Leben, wie es sich eben bietet, ohne darüber nachzugrübeln.«
Irgendein anderer Mann, an des Barons Stelle, hätte sich vielleicht den ziemlich deutlichen Wink genügen lassen; Herr von Zühbig aber, mit dem entzückenden Gefühl, für die Salons und deren Klatsch eine neue superbe Entdeckung gemacht zu haben, und von der Identität der vor ihm Stehenden dabei fest überzeugt, hörte, sah und verstand nichts weiter.
»Wenn ich Ihnen nur gestehen dürfte, wie glücklich ich mich fühle, Ihnen hier in Ihrer reizenden Einsamkeit begegnet zu sein!« fuhr er fort, als er sah, daß Georgine verlegen schwieg, »ich segne jetzt den Unfall mit meinem Wagen, der mich auf keiner passenderen Stelle hätte aufs Trockene setzen können.«
»Und mit wem haben wir Ähnlichkeit, Herr Baron?« sagte in diesem Augenblicke Georgs tiefe Stimme an seiner Seite.
»Mit wem?« fuhr Herr von Zühbig rasch und beinahe etwas erschreckt herum und starrte seinen Wirt verblüfft an. Dessen Ruhe machte ihn nämlich in seiner Entdeckung wieder schwankend, und wenner auch auf Georginens Gesicht mit gutem Gewissen hätte schwören mögen, so war ihm das ihres Gatten doch keineswegs so sicher im Gedächtnis geblieben, darin jeden Irrtum außer Zweifel zu lassen. »Mit wem, Verehrtester? o, mit – aber, hahahaha – Sie wollen doch nicht etwa – Ihr Name ...«
»Georg von Geyfeln.«
»Von Geyfeln? – Georg? – o gewiß – außer allem Zweifel. Ich bitte, mich um Gottes willen nicht mißverstehen zu wollen. Der frühere Name war jedenfalls angenommen – ein Kunstname. Wir haben das ja bei der Bühne alle Tage, und ich – darf wohl mit Recht von mir sagen, daß ich selber mit zur Kunst gehöre.«
»Sie selber? wie verstehe ich das?« fragte Georg, dem der Fremde eben nicht wie ein Künstler vorkommen mochte.
»Ich bin,« stellte sich der Herr von Zühbig vor, »Generalintendant des ***schen Hoftheaters, wo ich – wenn ich nicht jetzt an ein Wunder glauben soll – das Glück hatte, durch Sie beide in reine Ekstase versetzt zu werden. Sie – aber, bester Baron, machen Sie kein solch ernsthaftes Gesicht – Sie bringen mich wirklich in – in Ungewißheit und Gewißheit – ich fange schon an, ganz konfus zu reden – zur Verzweiflung.«
»Am ***schen Hoftheater?« sagte Georg, immer noch in der, wenn auch vergeblichen Hoffnung, den Fremden von seiner Beute für Tees und Abendunterhaltung abzulenken.
»Bitte um Verzeihung – nicht im Hoftheater, sondern im – aber Sie wahrhaftig brauchen sich Ihrer Erfolge nicht zu schämen – gnädige Frau, was Sie auch immer bewogen haben konnte, auf eine Zeit Ihr enormes Talent dem Publikum zu widmen.
Weitere Kostenlose Bücher