Der Kunstreiter
Stern aufgespielt, war hinauf aufs Gut gezogen, sich dort ein Trinkgeld zu verdienen. Mit ihnen aber – und Karl fuhr mit einem Freudenschrei von seinem Sitz empor – waren wunderlich und phantastisch gekleidete Gaukler gekommen, die in kurzen Jacken und eng anliegenden Trikots zum Takte der Musik auf dem Hofe und vor den Fenstern Georgs ihre Künste begannen. Einer hatte Stelzen an die Füße geschnallt, womit er zur Musik einen Walzer tanzte und andere Kapriolen ausführte; ein anderer überschlug sich und kugelte sich, Brust und Bauch nach außen, wie ein Ring zusammen, und der dritte lief an einer freistehenden kurzen Leiter hinauf, auf deren oberster Sprosse er dann mit großer Geschicklichkeit seine Künste ausführte.
»Bei Gott, Onkel!« rief Karl jubelnd aus, »da unten ist Müllheimer, Hentz und Bentling – komm rasch – Hentz macht sein Leiterkunststück – siehst du dort?«
»Alle Teufel!« murmelte der Alte in den Bart, »was wollen die denn hier, und wo kommen sie her? Ob sie wissen, daß Georg das Gut bewohnt?«
»Schwerlich,« lachte Karl, »sonst hätten sie wohl kaum ihre Kunststücke im Hofe gemacht, sondern wären gleich von vornherein heraufgekommen. Die werden Augen machen!«
»Was willst du tun?« rief der alte Mühler erschreckt als Karl eben im Begriff war, das Fenster zu öffnen.
»Ich?« sagte der junge Bursche erstaunt, »sie anrufen natürlich; ich soll doch wohl meine alten Freunde und Kameraden bei euch hier nicht auch noch verleugnen und nicht mehr kennen dürfen?«
»Du bist rein verrückt!« rief der Alte, bestürzt dazwischen springend. »Na, das Donnerwetter und das Hallo von dem da drübenmöcht' ich sehen, wenn der dazu käme. Wenn du nicht absolut willst, daß er uns beide noch heute am Tage zum Tempel hinausgejagt, so geh vom Fenster und tu' gar nicht, als ob du die da unten siehst.«
Karl war leichenblaß vor verhaltenem Grimm geworden, aber er ließ es geschehn, daß ihn der Alte beim Handgelenk vom Fenster zog und das Rouleau herunterließ, jedes weitere Hinaussehen zu verhindern. Er selber blinzelte nur eben einmal hinter der Gardine vor und sah gerade, wie der alte Verwalter auf die Leute zuging, ihnen ein Geldstück gab und sie vom Hofe schickte. Das Geschenk mußte auch ein ziemlich reichliches gewesen sein, denn die Gaukler schienen sehr erfreut. Desto weniger zufrieden waren aber die Leute vom Hofe damit, die sich schon um sie gedrängt hatten und ihnen jetzt, als sie den Hof verließen, meist in das Dorf hinabfolgten, um dort vielleicht noch mehr von den fabelhaften Künsten zu sehen zu bekommen. Noch stand er am Fenster und sah ihnen nach, als die Tür aufging und Georg eintrat.
»Das ist recht, Mühler,« sagte er, als er die niedergelassene Gardine bemerkte. »Ich weiß nicht, durch welchen Zufall, aber einige unserer alten Bekannten haben, wahrscheinlich auf der Durchreise, ihren Weg bis zu uns hierher gefunden. Ihr seid, wie ich sehe, vernünftig genug, Euch fern von ihnen zu halten; überdies werden die Burschen Schildheim jedenfalls heute wieder verlassen. Ich brauche Euch also nicht weiter zu ermahnen, Euch heute lieber zu Hause zu halten, damit Ihr ihnen nicht etwa zufällig in den Weg liefet.«
»Denke gar nicht dran, auszugehen,« brummte Mühler, »und will selber mit ihnen nichts zu tun haben.«
»Ich habe es von Euch nicht anders erwartet,« sagte Georg, »und auf den jungen Burschen da werdet Ihr mir auch ein wachsames Auge haben. Ich hoffe, Karl, daß du verstanden hast, was ich eben sagte?«
»Ja,« erwiderte der junge Bursche, sich gleichgültig abdrehend, »wenn ich's nicht wieder vergesse.«
»Nicht wieder vergesse?« fragte Georg scharf, »ich ersuche dich, Geselle, dein Gedächtnis anzustrengen, oder du möchtest das nächste Mal nicht wieder so leicht davonkommen. Ich will, daß du es nicht vergißt, und das merke dir, Patron, sonst sprechen wir ein anderes Wort zusammen. Ich werde überhaupt – doch genug,« brach er kurz ab, »es wird keine weitere Warnung nötig sein, denn du weißt selber am besten, Karl, was dir gut ist und was du von mir zu hoffen –oder zu fürchten hast.« Mit diesen Worten verließ er rasch das Zimmer.
»Verdammt, ob ich das nicht weiß,« fluchte der junge Bursche, als die Tür kaum hinter dem Forteilenden zugefallen war, »besser als du es vielleicht denkst, mein Herz, und daß ich es tun werde, darauf kannst du dich verlassen.«
»Karl,« warnte ihn der Alte, »sei vernünftig und mach' keine
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