Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
Vom Netzwerk:
laut; aber ich darf Sie nicht länger als nötig hier auf der Straße lassen. Dort drüben arbeiten meine Leute – die Hinterräder Ihres Wagens sind ziemlich hoch; ich denke, eins von meinen Schlammwagen kann Ihr Geschirr wenigstens bis zum Dorfe bringen, und dort werde ich Sorge tragen, daß Ihr Schade, trotz der Hochzeit heute, augenblicklich wieder verbessert wird. Entschuldigen Sie mich nur auf wenige Minuten, ich bin gleich wieder bei Ihnen.«
    Und damit wandte er sein Pferd und ritt in scharfem Trabe über die Wiese hinüber der Stelle zu, wo seine Leute arbeiteten, um diese zur Hilfe des beschädigten Wagens herbeizuholen. Er kehrte auch bald mit ihnen zurück. Das Fuhrwerk wurde wieder soweit instand gesetzt, die kurze Strecke bis zum Dorfe wenigstens zusammenzuhalten, und Georg, der sein Pferd jetzt am Zügel führte, schritt neben dem Fremden auf der Straße hin.
    Er selber kam aber dabei nicht viel zu Worte; der Fremde, der außerordentlich wißbegierig schien, richtete hundert Fragen an ihn, ohne ihm jedoch Zeit zu lassen, auch nur eine genügend zu beantworten, und interessierte sich besonders dafür, zu erfahren, ob es hier in nächster Nähe nicht irgendeine Stadt ober ein Städtchen gäbe, das er heute abend noch erreichen könnte und in dem Theater gespielt würde.
    Das war allerdings nicht der Fall, und der Fremde, der um diesen Preis wohl seinen zerbrochenen Wagen heute im Stiche gelassen hätte, sah sich jetzt genötigt, diesem wieder seine Aufmerksamkeit zu schenken. Sie hatten nämlich das Dorf erreicht, und der Schmied erklärte sich mit dem Wagen- oder Stellmacher, wenn auch im Anfange nach entschiedenem Weigern, doch endlich bereit, die nötige Reparatur sofort vorzunehmen, und daß die Leute rasch arbeiten würden, dafür bürgte die Hochzeit, zu der sie beide eingeladen waren.
    Jetzt galt es, dem Fremden Unterkommen im Gasthause zu verschaffen; das war aber entschieden unmöglich und jedes Winkelchen im Hause, bis in die Ställe hinein, besetzt. Nicht einmal Kutscher und Pferde konnten dort untergebracht werden. So ungern es Georg gerade bei einem Fremden tat, sah er sich doch endlich genötigt, ihm für die Nacht – denn an ein Weiterreisen ließ sich nicht denken – seine Gastfreundschaft anzubieten, die indessen von dem Fremden, wenn auch erst nach scheinbarem Sträuben und tausend nichtssagenden, meist französischen Phrasen von »Stören« und »zur Last fallen«,angenommen wurde. Den Wagen hatte man indessen den betreffenden Handwerkern übergeben, der Kutscher führte die Pferde in das Gut voran, der Bediente folgte mit dem Nötigsten, was sein Herr für die Nacht brauchte – und das war mehr, als er allein tragen konnte –, das übrige Gepäck hatte der Wirt in sein eigenes Zimmer gestellt, und die beiden Herren schritten jetzt ebenfalls plaudernd zum Gute hinauf, wo Georg die Wirtschafterin rufen ließ und ihr auftrug, augenblicklich eins der Fremdenzimmer für den Gast herzurichten.
    Das war bald geschehen, und Baron von Zühbig wurde instand gesetzt, seine Toilette mit ängstlichster Sorgfalt, wie er es stets gewohnt war, zu vollenden. Bis dahin konnte auch das Abendbrot bereitet sein, und zwar heute nur für die beiden Gatten und den Fremden. Der alte Mühler hatte gebeten, auf seinem Zimmer essen zu dürfen, und die Erzieherin trank überdies jeden Abend mit Josefinen den Tee auf dem ihrigen.
    Georgine war von dem unerwarteten Besuch rechtzeitig in Kenntnis gesetzt worden und eben mit ihren Anordnungen in Küche und Keller, wie mit ihrer eigenen Toilette fertig geworden, als Herr von Zühbig, von Georg geführt, ihr Zimmer betrat und sich ihr mit seiner zierlichsten Verbeugung nahte.
    »Gnädige Frau, ich muß unendlich bedauern, wenn auch die unschuldige, doch die Ursache zu sein, die Sie heute abend Ihrer gewohnten Bequemlichkeit und ungestörten Häuslichkeit entreißt, um einem Fremden Gastfreundschaft zu erweisen, aber Ihr Herr Gemahl war ...« Er blieb plötzlich mitten in der Rede stecken und sah die Dame erstaunt und forschend an, die aber ruhig lächelnd erwiderte: »Lassen Sie sich das nicht stören, Herr Baron. Wir auf dem Lande sind einmal darauf eingerichtet, Nachbarn und Freunde, die uns besuchen, auch bei uns zu beherbergen. Freilich müssen Sie Nachsicht mit uns haben, denn die Zeit war ein wenig kurz.«
    »Gnädige Frau – ich,« stammelte Herr von Zühbig, »ich weiß wirklich nicht – ob ich – ob ich nicht schon früher das – das Vergnügen hatte

Weitere Kostenlose Bücher