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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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mit.«
    »Red' nicht so tolles Zeug, Karl!« ermahnte der Alte, »du sprichst wahrhaftig, als ob du ganz im Ernst an solche Torheit dächtest.«
    »Tu' ich wirklich?« spottete ihm Karl nach, »gut, dann komm doch morgen früh an mein Bett, Onkel, und weck' mich – willst du?«
    »Da schlägt's eins,« rief Mühler, der froh schien, dieses Gespräch abbrechen zu können. »Wir müssen hinüber. Georg ist Sonntags immer auf die Minute bei Tische.«
    »Dann dürfen wir natürlich als gehorsame Diener unseres Herrn nicht säumen,« spottete Karl.
    »Höre, mein Bursche,« sagte der Alte ernsthaft, indem er sich zum Gehen rüstete, »sei nicht übermütig! Wenn ich die Beine unter eines andern Tisch stecke, muß ich auch tun, wie der andere mich heißt – solange ich nämlich keinen eigenen habe.«
    »Und siehst du, das ist der Haken!« rief Karl, »denn ich habe von nächster Woche an einen eigenen und will dann nur abwarten, wie lange du dich hier wirst füttern lassen. Royazet hat gar keinen ordentlichen Clown mehr. Sie sind ihm alle davongelaufen, und wenn er schon in Frankreich enorme Gagen zahlte, kannst du dir denken, daß er in Rußland nicht weniger geben wird. Jetzt weißt du, was dir zu wissen not tut, und nun mach', was du willst; ich rede kein Wort weiter drum.«
    Mühler, der den trotzköpfigen, unbändigen Charakter des Knaben nur zu gut kannte und schon oft darunter gelitten hatte, schritt mürrisch den Gang entlang, dem Eßzimmer zu. Georgine aber, Karls Arm ergreifend, hielt ihn noch einige Sekunden zurück, bis ihr Vater so weit voran war, sie nicht mehr hören zu können, dann flüsterte sie rasch: »Schreib' mir von dort, Karl, willst du?«
    »Gewiß will ich, und ausführlich.«
    »Gut, ich werde dir nach Tische einen Zettel geben, auf dem eine Unzahl Fragen stehen. Schreib' mir die Antwort darauf – aber vergiß keine und – laß mich nicht lange warten.«
    »Und du willst kommen?« fragte der junge Bursche mit glänzenden Augen. »Du weißt am besten, wie sich Royazet darüber freuen würde.«
    »Ich kann nichts Bestimmtes sagen. – Wir müssen auch fort. Georg darf nicht ahnen, daß ich mit dir darüber gesprochen.«
    »Hab' keine Furcht,« lachte Karl, »wir beide stehen auf keinem solchen Fuße miteinander, daß wir uns unsere Geheimnisse anvertrauen, und ich besorge es dir – darauf kannst du dich verlassen.«
    »Ich danke dir – ich werde nachher wieder herüberkommen und dir Reisegeld bringen – du mußt wenigstens einen Zehrpfennig haben, daß du nicht als Bettler dort ankommst.«
    »Desto besser,« lachte der Knabe still vor sich hin, »aber auch ohne einen Schilling in der Tasche hätt' ich meinen Plan durchgeführt.«
    Georgine antwortete ihm nichts darauf, sondern eilte dem Vater nach, die streng gehaltene Essensstunde nicht zu versäumen. Karl folgte ihr langsamer. Was lag ihm daran, wenn er auch zu spät kam und Georg böse darüber wurde – es war das letzte Mal heute und wenn er sich über ihn ärgerte, desto besser!

18.
    Der alte Mühler suchte an dem Nachmittage noch durch alle seine Überredungskünste dem Knaben den Entschluß des Fortlaufens auszureden, aber vergeblich. Karl, mit dem neuen, freien Leben vor sich und des Zwanges, dem er sich hier hatte fügen müssen, lange müde, beharrte nicht allein fest auf seinem einmal gefaßten Vorsatze, sondern überredete sogar den Alten, daß er ihn bis nach Schildheim hinunter begleitete, um dort selber seine neugefundenen Freunde zu treffen. Das mußte natürlich heimlich geschehen; der Präzeptor störte sie dabei nicht, da dieser die Sonntagsnachmittage gern zu seinen Studien benutzte und Karl dann immer auf seines Onkels Stube war. Überdies konnte die Zusammenkunft nur eine kurze sein, denn mit der Dämmerung machten sich die »Künstler« schon wieder auf den Weg, um im nächsten Dorfe zu übernachten und den andern Morgen rechtzeitig die nächste Eisenbahnstation zu erreichen. Georg erfuhr Karls Flucht auch erst am andern Morgen, und zwar durch den Hauslehrer, der seinen Zögling vergebens zur Stundenzeit erwartete und ihn dann ebenfalls ohne Erfolg bei seinem Onkel suchte. Der alte Mühler machte sich nun allerdings darauf gefaßt, eine heftige Szene mit seinem Schwiegersohne bestehen zu müssen, denn daß er um Karls Flucht gewußt, lag auf der Hand. Sehr erstaunt und nicht unangenehm überrascht war er aber sowohl wie Georgine, daß Georg keine Silbe davon erwähnte. Dieser ritt allerdings, gleich nachdem er die

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