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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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wo er ihn hintun könne.
    Mühler merkte auf den ersten Blick, daß mit dem alten Burschen etwas nicht richtig sei, und da ihm besonders heute gar nichts daran lag, einen mürrischen, verdrossenen Trinkgenossen zu haben, setzte er sich hinüber zu ihm auf die Bank, warf seinen Hut und das kleine Bündel, das er in der Hand trug, hinter sich und sagte, während sein Spitz auf einem Stuhl neben ihm ganz ernsthaft Platz nahm: »Wirt, eine Flasche Wein, aber von Eurem besten – nicht etwa den Rachenreißer wieder, den Ihr mir das letzte Mal gegeben.«
    Tobias warf ihm einen etwas erstaunten Seitenblick zu und rückte ein wenig bei, um ihm mehr Raum zu geben, schien aber trotzdem entschlossen, in seinem Schweigen zu verharren und erwiderte nicht einmal den guten Tag, den ihm jener bot.
    »Na zum Teufel,« sagte Mühler, »was steckt dir denn in der Krone, he? Hast du die verkehrte Maulsperre, Kamerad, oder kennst du mich nicht mehr? Du schneidest ein Gesicht heut', als ob dir das Wasser ausgeblieben wäre und du jetzt mit Schnaps mahlen müßtest, um das alte Räderwerk im Gange zu halten.«
    »Ist ihm auch was Ähnliches passiert, Herr Mühler,« nahm da für Tobias ein alter Bauer, der unfern von ihrem Tische hinter einem Kruge Bier saß, die Antwort auf, »das Wasser zum Mahlen ist ihm freilich ausgeblieben – nur mit dem Schnaps wird's etwas dünnaussehen. Es bleibt ihm schon nichts anderes übrig, wie eine Windmühle anzulegen.«
    »Auch kein schlechtes Geschäft, Kamerad,« lachte Mühler, von dem gebrachten Wein den Stöpsel ziehend, »he, noch ein Glas, Herr Wirt! – Sind famose Dinger, diese Windmühlen, in denen einem früh die Morgensonne und nachmittags die Abendsonne in dasselbe Fenster scheint.«
    »Du weißt den Henker davon,« fuhr Tobias mit einem tückischen Blick den alten Bauer an. »Wenn ich Schnaps brauche, werde ich ihn auch bekommen. Du Hungerleider gibst mir doch keinen.«
    »Nein, Tobias, da hast du recht,« lachte der Alte gutmütig, »das wäre auch dreimal weggeworfenes Geld, und hättest du nicht so viel von dem bösen Stoff getrunken, sähe es jetzt auch besser mit dir aus.«
    »Aber was ist denn vorgefallen?« rief Mühler erstaunt.
    »Nichts, als was wir alle lange vorhergesehen haben,« sagte der Bauer. »Sein Geld, das ihm gehörte, hat der Tobias durchgebracht, und wenn der Müller drunten auch genötigt ist, ihn bis an seinen Tod zu füttern, so hat er sich doch geweigert, ihm von heute ab einen Pfennig weiter zu geben, sein liederliches Leben zu unterstützen.«
    »Der Müller ist ein Lump!« fiel hier Tobias wütend ein, indem er die geballte Faust wieder aus der Tasche zog und damit auf den Tisch schlug, »ich habe mich für ihn aufgeopfert, und jetzt kommt er ...«
    »Der Müller ist ein Ehrenmann,« unterbrach ihn ruhig der Bauer, indem er von seiner Bank aufstand, sein Bier austrank und seinen Hut vom Nagel nahm, »er hat bis jetzt mehr für dich getan, wie einer von uns getan haben würde, und Not, Ärger und Schande außerdem dafür genug gehabt. Da er jetzt sieht, daß du kein anderer Mensch werden willst, so mag er dich wenigstens auch nicht länger in dem liederlichen Leben unterstützen, und da hat er, sollt' ich denken, recht. Daß du anders denkst, ist deine Sache – Gott befohlen!« Und seinen Hut aufstülpend, verließ der alte Mann das Zimmer.
    Tobias schleuderte ihm mit einem boshaften Blick den bittersten Fluch nach, auf den er sich besinnen konnte; Mühler aber lachte und sagte: »Laß den Brummbär laufen, Kamerad; gut, daß er fort ist; der soll uns den schönen Tag noch lange nicht verderben. Da trink', das ist der Sorgenbrecher, besser als das verwünschte Vitriolöl, das sie hier für Schnaps verkaufen. Der hier brennt nicht und wärmt doch, und je mehr man davon trinkt, desto leichter wird's einem im Kopfe.«Tobias schien noch immer keine rechte Lust zu haben, geselliger zu werden, wenn er auch das dargebotene Glas nicht verschmähte; mit jedem Glase aber taute er mehr auf, und während sich Mühler, in einer eigenen Art von rauher Herzlichkeit bemühte, den alten niedergebrochenen Säufer aufzurichten, fing ihm selber der Wein an zu schmecken.
    »Hol' der Henker die Kosten!« lachte er, als er die dritte Flasche bestellte, »wo das herkommt, ist mehr, und so jung treffen wir doch nicht wieder zusammen.«
    »Wo das herkommt, ist mehr?« sagte Tobias, aufmerksam werdend, »der da droben« – und er beutete mit dem Daumen nach der Richtung des Gutes

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