Der Kunstreiter
und erstaunt vor sich hin.
»Das schadet auch nichts, Kamerad,« lachte der Alte in übermütiger Laune weiter, »bah, so viel für einen lumpigen Baron, wenn er nichts weiter kann, als Samstags dem Verwalter sein Geld auszahlen und für das übrige den lieben Gott sorgen läßt – unser Monsieur Bertrand kann mehr.«
»Mosje Bertrand?« fragte Tobias erstaunt.
»Sagte ich Bertrand?« fragte Mühler, dem das Wort nur so entfahren war.
»Ich dächte...«
»Na, bleibt sich gleich – den solltest du einmal auf drei Pferden zugleich reiten sehen.«
»Auf dreien, na, so lüg' du und der Teufel! wie will er denn auf dreien zugleich sitzen?«
»Sitzen? – er sitzt auch nicht, er steht, mit jedem Fuß auf einem und das dritte zwischen den Füßen, und vier dabei vorn im Zügel, daß die Haare sausen.«
»Aber das machen ja die Kunstreiter!« sagte Tobias, jetzt völlig verblüfft über alles, was er hörte.
»Tun sie auch, Kamerad,« lachte Mühler, »und seine Frau, meine Tochter, solltest du erst sehen – der Jubel von den Leuten, wenn die auf ihrem Schimmel geflogen kam und durch Reifen sprang und über Tücher wegsetzte und sich so und so drehte – und die Kleine – die Josefine, das ist ein wahrer Teufel von einem Kinde auf dem Sattel – sie könnte nicht leichter auf dem festen Boden tanzen.«
»Ja, zum Donnerwetter, Kamerad,« sagte Tobias, erstaunt Front gegen ihn machend, »der Baron da drüben ist doch nicht etwa...«
»Der beste Kunstreiter, der je ein Pferd dressiert hat,« ergänzteMühler, »das muß man ihm lassen, wenn er auch noch ein schlechter Ökonom sein mag.«
»Und die ganze Familie – und du?«
»Lauter Kunstreiter,« lachte der Alte triumphierend, ohne sich jedoch selber als Bajazzo zu denunzieren. »Das ist ein lustiges Leben, Kamerad, und du solltest einmal dabei sein, wenn es so recht mitten im Glanz und Gang ist. Hier – der Teufel soll's holen, ein Hund hat's besser, als den ganzen Tag da drinnen hinter den steinernen Mauern zu sitzen und Maulaffen feilzuhalten, und ich hab' es auch satt bekommen und gehe meiner Wege.«
»Was?« rief Tobias, jetzt noch mehr erstaunt als vorher. »Du willst fort, Kamerad, willst mich hier allein lassen?« setzte er mit einer eigenen Art von Rührung hinzu.
»Kann's nicht ändern,« bestätigte Mühler, »das Leben hier führ' ein anderer – mein Junge ist schon voraus.«
»Und die da drüben auf dem Gute?«
»Mögen's halten, wie sie wollen,« sagte Mühler gleichgültig, »ich kann mir mein Brot verdienen ohne die da, und lustigeres Brot, wie sie mir bieten können. Wenn mit dir nur etwas anzufangen wäre, nähm' ich dich mit, Tobi, aber – es geht nicht, du bist zu steif in den Knochen – meine müssen freilich auch erst wieder gelenk werden, denn das lange Stillhocken ist ihnen schwerlich dienlich gewesen.«
Tobias antwortete ihm nicht, andere Gedanken gingen ihm im Kopf herum, und Mühler tat einen langen Zug aus seinem Glase. Dabei fiel aber sein Blick auf die Wanduhr, und sich aufraffend, sagte er: »Donnerwetter, es wird spät! ich muß fort.«
»Heute noch?«
»Gleich.«
»So warte wenigstens, bis der Wirt wiederkommt.«
»Wozu?« lachte Mühler, »die paar Flaschen kann er mir zum Andenken aufschreiben, bis ich zurückkehre. Wirte vergessen einen so leicht, wenn man ihnen nicht ein kleines Andenken da läßt.«
»Das geschieht dem Lump recht,« lachte Tobias, »sonst aber,« setzte er, von einem plötzlichen Gedanken ergriffen, hinzu, »hätt'st du mir es vielleicht da lassen können, und ich hätt's ihm gegeben, wenn er wiederkam.«
»Wolltest du wirklich?« fragte Mühler, und ein eigener, drolliger Zug zuckte ihm um die Mundwinkel. Wie sein Blick aber auf die Jammergestalt des vor ihm stehenden, zusammengebrochenen altenSäufers fiel, regte sich auch etwas wie Mitleiden in seinem Herzen. Leichtsinnige Menschen sind gewöhnlich gutmütig, und in einem eigenen Anfall von Großmut sagte er: »Na, meinetwegen, Tobias – ich will dir das Geld da lassen, gib es dem Wirt, wenn er kommt. Drei, vier Flaschen hatten wir ja wohl, die Flasche kostete 18 Schillinge, macht zusammen 1 Taler 24 Schillinge, da – da hast du's und – vergiß es nicht etwa...«
»I bewahre!« sagte Tobias, das Geld, ohne es zu überzählen, in die Westentasche schiebend, »und du kommst wirklich nicht wieder?«
»Wenigstens so bald nicht. Heut' abend denk' ich noch bis Kerkhofen zu marschieren.«
»Dann darfst du dich auch nicht länger
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