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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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aufhalten,« sagte Tobias, der seine eigenen Gründe hatte, den Kameraden unterwegs zu wünschen, ehe der Wirt wiederkam.
    »Darf ich nicht?« lachte Mühler, »aber ich glaube, du hast recht; es wird spät. So behüt' dich Gott, Alter, und trink' mir nicht zu viel; es wär' schade, wenn wir dich verlieren sollten, denn eine solche natürlich rote Nase kommt nicht gleich wieder vor.«
    »Ist mir auch sauer genug geworden,« meinte Tobias, »sie dahin zu bringen.«
    »Kann ich mir denken – also nochmals adieu! komm, Hanswurst!« Und mit den Worten schüttelte er ihm die Hand, griff dann seinen Hut und sein Bündel auf und verließ, von seinem Spitz gefolgt, das Haus und das Dorf. Tobias begleitete ihn nicht. Es war noch ein Rest in der Flasche, den er erst vertilgen mußte, und dann gingen ihm auch eine Menge Dinge im Kopfe herum, die er vorher in aller Ruhe ordnen und sichten mußte; das Denken fing ihm doch an schwer zu werden. Wie er noch so da saß, kam der Wirt zurück.
    »Nun,« sagte der, »wohin geht denn der Schwiegervater? Ich sah ihn von weitem, mit einem Bündel in der Hand, aus dem Dorfe marschieren – weißt du's, Tobias?«
    »Was geht mich der Mühler an?« murrte dieser, »ich bin sein Aufpasser nicht.«
    Der Wirt ging zu seiner Frau ans Fenster, faßte sie an der Schulter und schrie ihr ins Ohr: »Hat der Mühler bezahlt?«
    Die Frau schüttelte mit dem Kopfe, und der Wirt warf einen Blick nach Tobias und der jetzt leeren Flasche hinüber. Der aber regte sich nicht oder tat, als ob er nicht ein Wort von dem Gesprochenen gehört.Was ging ihn Mühler an? – Endlich stand er auf, nahm seinen alten Filzhut und sagte: »Was bin ich schuldig?«
    »Schuldig?« fragte der Wirt, »wenn du alles zahlen wolltest, was du hier schuldig bist, so hättest du eine lange Rechnung und ich einen guten Tag. Heute habe ich dir von vornherein gesagt, daß ich dir die paar Glas Schnaps schenke, damit hört's aber jetzt auf, und von nun an wird dir hier im Stern nicht eher wieder ein Glas Branntwein hingestellt, als bis du das Geld auf den Tisch legst.«
    »Ich will von Euch nichts geschenkt,« grollte finster der Alte, »und brauche nichts – vier Glas Branntwein habe ich gehabt, etwa so viel wenigstens. Da sind Eure paar lumpigen Schillinge« – und damit warf er die Münze auf den Tisch.
    »Haha, hast du doch noch etwas in einer Taschenecke aufgehoben?« lachte der Wirt, »na, mir kann's recht sein; bei dem aber, was ich gesagt habe, bei dem bleibt's.«
    »Will schon wieder Geld kriegen,« lachte der Alte tückisch vor sich hin. »Ich weiß, was ich weiß, und der Baron muß zahlen.«
    »Der wird dich vom Hofe jagen, wenn du da 'nauf betteln gehst.«
    »Betteln? habe noch in meinem Leben nicht gebettelt und werd's auf meine alten Tage nicht anfangen. Was ich weiß, kauft er mir gern ab.«
    »Was du weißt?« lachte der Wirt, »na, höre, Tobias, du machst deinem Schulmeister zu viel Komplimente. Ja, wenn der verantwortlich wäre für alles, was du nicht wüßtest!«
    »Mein Schulmeister hat nichts damit zu tun,« murrte der alte Mann verdrießlich.
    »Und wer sonst?«
    »So fragt man die Narren aus,« erwiderte Tobias trocken, schlug sich seinen Hut noch einmal fest und verließ das Haus, die Straße nach dem Gute zu einschlagend.

19.
    Tobias hatte sich einen tollen Plan ausgedacht, der ihm aber ganz in seine verzweifelte Lage paßte, und mit einer Quantität Spirituosen im Kopfe war er auch gerade in der Stimmung, ihn auszuführen. Ob er sonst den Mut gehabt haben würde, dem seines ernsten Wesens wegen eher gefürchteten Gutsherrn auf die eigeneStube zu rücken, muß dahingestellt bleiben. Noch nicht mit sich im klaren, wie er das Wirtshaus verließ, verbiß er sich aber mehr und mehr in den einmal gefaßten Gedanken, und ohne daß er es selber merkte, verringerte er die Entfernung zwischen sich und dem Gute mit jedem Schritte.
    Wäre er dem Verwalter oben begegnet, so würde ihn dieser. In dem Zustande, in dem er sich befand und der deutlich genug die in reichem Maße genossenen Getränke verriet, wohl kaum vorgelassen, sondern rundweg abgefertigt haben; denn Tobias war ein Mensch, mit dem man sowohl im Dorfe wie auf dem Gute wenig Umstände machte. So aber traf er nur einen der Knechte im Hofe, der ihn, da er nach dem Gutsherrn fragte und vorgab, er habe etwas Wichtiges mit ihm zu besprechen, zu der Treppe brachte, die zu Georgs Zimmer führte. Dort ließ er ihn allein, und Tobias balancierte sich die breite

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