Der Kunstreiter
hinüber – »ist wohl schmählich reich?«
»Puh, reich!« rief Mühler, das große Glas bis zum Rande füllend und auf einen Zug leerend, »was heißt reich? Was man hat, kann einem die nächste Stunde gestohlen werden oder sonst abhanden kommen, aber was man kann, Kamerad, darauf kommt's an, und das, was man kann, das macht den Mann.«
»Nun, Kamerad,« lachte Tobias, der bis jetzt noch viel nüchterner als Mühler war, trotzdem daß er schon ungezählte Gläser Branntwein vorher hinabgegossen, »bis jetzt hast du uns aber noch nicht gezeigt, was du kannst...«
»Vielleicht habe ich nicht gewollt,« schmunzelte Mühler.
»Und willst du jetzt?«
»Nein,« schüttelte Mühler mit dem Kopfe, indem er einen Blick nach der am Fenster spinnenden Wirtin hinüberwarf. Der Wirt war hinausgegangen, um nach seinen Getränken zu sehen, und weitere Gäste nicht im Zimmer – »andere brauchen auch nichts davon zu wissen.«
»Na, vor der darfst du dich nicht genieren,« meinte Tobias, »wenn du sonst ein Geheimnis daraus machst, denn die ist stocktaub. Aber weißt du – wenn's – was wäre, das man zum Leben und besonders zum Trinken gebrauchen könnte, verstehst du, da war' mir's recht, wenn ich auch etwas davon erführe. Wer weiß, wie man's einmal gebrauchen kann.«
»Du?« lachte der Alte, dem der Gedanke ungemeinen Spaß machte, sich den »faulen Tobias« als »Künstler« vorzustellen, »hahahaha, das ist kostbar – »du, mit den lahmen Knochen, du wärst ein Kapitalexemplar für irgendeine Gesellschaft!«
»Hoho!« rief Tobias, leicht gereizt, »ich weiß mich wohl in jederGesellschaft zu benehmen, und du hast noch gar keine Ursache gehabt, mir das unter die Nase zu reiben.«
»Puh, Tobi, schwatz' von nichts, wovon du nichts verstehst,« sagte Mühler, der keineswegs trunken, aber durch den Wein gesprächig geworben war. »Was ich unter Gesellschaft verstehe, ist etwas ganz anderes – nicht das, was du meinst, wo zehn oder zwanzig oder dreißig Personen zusammenkommen und sich um die Tische herumsetzen und ihr Bier trinken. Kannst du aber – Donnerwetter, die Flasche ist schon wieder leer – he, Wirtschaft! – kannst du auf dein Kopfe stehen?«
»Ich?« sagte Tobias, ihn mit einem entsetzlich verblüfften Gesicht anstarrend, »ich weiß nicht – ich habe es noch nicht versucht.«
»Ist auch gar nicht nötig, Kamerad, denn du kannst's doch nicht,« sagte Mühler, »und das ist noch das Leichteste dabei. – Hast du neulich gesehen, was für Kunststücke die drei Burschen machten, die hier Im Dorfe waren?«
»Von denen der eine die Leiter hinauflief, ohne daß sie jemand hielt?«
»Ganz recht, und das sind noch Spielereien, denn sie riskieren nichts dabei, als vielleicht einmal, wenn es mißglückt, auf den Hintern zu fallen.«
»Aber was hat das mit dir und – mit dem Baron da oben zu schaffen?« sagte Tobias, der aus den Worten seines Nachbars nicht recht klug wurde.
»Kannst du das Maul halten?« fragte Mühler leise.
»Das kann ich,« versicherte Tobias, wirklich froh, endlich einmal etwas zu finden, was er wirklich zu können glaubte.
»Gut,« sagte Mühler, »das ist manchmal schon viel wert – da kommt aber der Wirt wieder – der braucht nichts zu wissen.«
»Na, Herr Mühler,« sagte dieser, der mit einer frischen Flasche zum Tische trat, »sind ja heute recht fidel. Hab's mir gleich gedacht, daß Sie mehr wollten, und die alte Sorte mitgebracht. Nicht wahr, der schmeckt ?«
»Es geht – da nehmt die leeren Flaschen mit. Tobias hier ist heute etwas niedergeschlagen, und den müssen wir wieder fidel machen – trinkt Ihr ein Glas mit, Sternenwirt?«
»Gleich steh' ich zu Befehl, Herr Mühler – muß nur einmal hinunter in die Schmiede, dort etwas zu besorgen – ich bin bald wieder da. Sollten Sie in der Zeit etwas wollen, so steht es drüben in der Stube, und meine Alte da kann es Ihnen geben.«
»Der kann abkommen,« sagte brummend Tobias, als der Wirt das Zimmer verlassen hatte, »Lump nichtsnutziger. Wer Geld hat, dem macht er den Buckel krumm, und sowie er merkt, daß es dünn wird, kennt er einen nicht mehr und fängt an, schwer zu hören. Dir knöpfe ich die Ohren noch einmal auf, Halunke – aber – über was sollt' ichs Maul halten, Mühler? – Was kann der Baron und was kannst du?«
»Baron,« sagte Mühler, die Achsel zuckend und sich und Tobias aufs neue einschenkend, »der da drüben ist so wenig Baron wie du und ich.«
»Den Teufel auch!« murmelte Tobias leise
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