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Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)

Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)

Titel: Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Hodder
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Man hat sie oft zusammen im Athenaeum Club gesehen. Wenn Beresford wirklich ein Luddit war, warum hat man ihn dann bitte so oft im angeregten Gespräch mit dem Anführer der aufstrebenden Technokraten-Bewegung beobachtet?
    Wenn ich mich recht erinnere, hat er ’43 dann auch aufgehört, gegen die Technokraten zu wettern und stattdessen die Idee des transnaturalen Menschen eingeführt. Er war geradezu besessen von der Sache und ist erst darüber zum Extremisten geworden. Ah! Die Getränke! Vielen Dank, meine Teure. Prost, Richard!«
    Swinburne nahm einen großen Schluck aus dem Bierkrug, der in seinen kleinen Händen riesenhaft aussah. Er wischte sich den Schaum von der Oberlippe und fuhr fort: »Köstlich! Das Problem des Marquis lag darin, dass sich die meisten seiner Anhänger mehr dafür interessierten, gegen die Technokraten vorzugehen, als für diesen Blödsinn der Entwicklung der Menschheit. Also hat 1848 eine kleine Splittergruppe aus Malern, Dichtern und Kritikern unter der Führung von William Holman Hunt, John Everett Millais und meinem Freund Dante Gabriel Rossetti eine schmackhaftere Version seiner Predigten entwickelt.«
    »Die Präraphaelitische Brüderschaft.«
    »So nennt sich der Kern der Gruppe selbst, aber sie und ihrevielen Anhänger sind mittlerweile besser bekannt als die Wahren Libertins. Über die letzten zwanzig Jahre hat sich ihre Vorstellung des Libertarianismus in ein Loblied auf den sogenannten edlen Geist des Menschen verwandelt. Sie betrachten den bescheidenen Arbeiter und erklären, er sei ein Wesen der Schönheit, dieser Mann, der Grausames erfahren hat, dessen bloße Existenz durch die abscheulichen, arbeitsplatzvernichtenden Maschinen bedroht ist.«
    Er grinste.
    »Ich muss allerdings gestehen, dass die Wahren Libertins größtenteils affige, elitäre Maler, weltfremde Schriftsteller, faule Philosophen oder, wie ich, halb wahnsinnige Dichter sind. Sie – oder vielleicht sollte ich ›wir‹ sagen, schließlich zähle ich mich dazu –, wir würden lieber ausschweifende Kampfesreden über den Arbeiter halten, als selbst mal eine Schaufel in die Hand zu nehmen.«
    »Mich hältst du nicht zum Narren, Kleiner«, lächelte Burton. »Du bist höchstens ein halbherziger Libertin, wenn überhaupt!«
    »Ich gebe es zu, ich bin ein reiner Dilettant!«, lachte der Poet. »Egal, um wieder zum eigentlichen Thema meines kleinen Vortrags zurückzukehren, Henry Beresford und seine verbleibenden Anhänger haben sich in ›Die Aufrührer‹ umbenannt, den Rest kennst du: Sie sind ein Haufen gesetzloser Rebellen, die sich an Unanständigkeiten erfreuen. Und natürlich haben sie unglaublichen Auftrieb erfahren, als Darwin Die Entstehung der Arten veröffentlicht hat. Wer braucht schon Moral, wenn Gott tot ist?«
    »Ich frage mich, was Darwin selbst wohl dazu sagen würde«, überlegte der königliche Agent.
    »Vielleicht würde er deiner Theorie eines natürlichen Systems der Gerechtigkeit zustimmen; der Idee, dass wir alle einen individuellen, angeborenen Sinn für Moral haben, der unsere guten Taten belohnt und unsere schlechten bestraft. Ich vermute, er würde es als eine Funktion betrachten, die das Überleben der Arten sichert.«
    »Vielleicht, wenn er noch am Leben ist. Auch wenn dir jedeReligion den heiligen Krieg erklärt, stellst du vermutlich fest, dass dich wissenschaftlicher Realismus nicht vor der Rache eines toten Gottes schützen kann.«
    »Glaubst du den Gerüchten, dass die Technokraten ihn verstecken?«
    »Es würde mich nicht überraschen. Francis Galton, der Kopf der Eugeniker-Fraktion, ist sein Cousin. Aber zurück zu den Aufrührern, Algy. Ist Spring Heeled Jack noch immer eines ihrer Idole?«
    »Mehr als je zuvor. Ihr neuer Anführer, Beresfords Protégé, ist sogar noch extremer als er es war.«
    »Und wer ist dieser neue Anführer?«
    »Du hast sicher schon von ihm gehört. Er heißt – ah! Da ist unser Essen.«
    Die Kellnerin stellte vor jedem der beiden Männer einen dampfenden Teller ab, legte Besteck auf den Tisch und fragte: »Noch ’ne Runde, Gentlemen?«
    »Ja«, sagte Swinburne. »Nein. Warte. Bring uns lieber eine Flasche Rotwein. Ist das in Ordnung, Richard?«
    Burton nickte, das Mädchen schenkte ihnen ein breites Lächeln und verschwand.
    »Oliphant«, sagte Swinburne.
    »Wie bitte?«
    »Er ist seit zwei Jahren der Kopf der neuen Aufrührer-Fraktion: Laurence Oliphant.«

    Bis zum Nachmittag hatte sich der Nebel in rostiges Braun verwandelt und war wieder

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