Der kurze Sommer der Anarchie
sehr wachsam war, einen knappen Kilometer entfernt das Auto anhalten sah, wartete er ab, bis die Insassen ausgestiegen waren; als sie ohne Deckung im Freien standen, gab er eine Maschinengewehrgarbe ab, die Durruti tödlich und zwei seiner Begleiter weniger schwer verletzte.
Ricardo Sanz 3
Am folgenden Tag lief das Gerücht um, Durruti sei, als er eine panische Absetzbewegung seiner Truppen aufhalten wollte, von einem seiner Männer ermordet worden. Als sich die Todesnachricht kurz darauf bestätigte, verstärkten die Umstände, unter denen er gestorben war, unseren Schmerz um den Verlust dieses tapferen Kämpfers und Offiziers. Was seine Einheit betrifft, so ist es ihr nicht nur nicht gelungen, den Feind aus seinen Stellungen zu werfen, sondern es war umgekehrt der Gegner, der sie zurückschlug. Nach dem Tod Durrutis mußten diese Truppen sofort abgelöst werden. Sie waren für die ganze Madrider Front eine wirkliche Gefahr.
Enrique Lister
Durrutis Chauffeur erzählte mir, wie es geschehen war.
Er begleitete mich in das Madrider Büro der Solidaridad Obrera, damit wir ungestört sprechen konnten. »Sag mir die ganze Wahrheit«, bat ich den Genossen Julio Graves. »Da ist nicht viel zu sagen. Nach dem Mittagessen fuhren wir zur Front ins Universitätsviertel. Der Genosse Manzanas hat uns begleitet. Wir erreichten den Cuatro-Caminos-Platz. Mi bog in die Avenue Pablo Iglesias ein und gab Vollgas. Wir fuhren an einer Reihe kleiner Hotels am Ende der Avenue vorbei und und wandten uns dann nach rechts.
Durrutis Truppen hatten nach den schweren Verlusten, die sie auf dem Moncloa-PIatz und vor den Mauern des MusterGefängnisses erlitten hatten, ihre Stellungen gewechselt.
Es war hell, eine herbstliche Nachmittagssonne lag auf den Straßen. Wir kamen an eine Kreuzung, als uns eine Gruppe von Milizsoldaten entgegenkam. Durruti begriff sofort, daß diese Jungens die Front verlassen wollten. Er befahl mir, den Wagen zu stoppen.
Wir hielten im Schußfeld des Gegners: die maurischen Truppen, die das Klinikum besetzt hatten, beherrschten den Platz. Ich stellte den Wagen vorsichtshalber an der Ecke eines dieser kleinen Hotels ab. Durruti stieg aus und ging auf die fliehenden Milizsoldaten zu. Er fragte sie, wohin sie wollten. Sie wußten nicht, was sie ihm antworten sollten. Er fuhr sie mit seiner rauhen Stimme an und befahl ihnen in schneidendem Ton, an ihre Posten zurückzukehren. Die Soldaten gehorchten und kehrten um.
Durruti wandte sich wieder dem Auto zu. Das Gewehrfeuer wurde heftiger. Die riesige rötliche Masse des Klinikums lag uns direkt gegenüber. Wir hörten die Kugeln pfeifen. Durruti wollte eben nach der Wagentür greifen, da brach er zusammen. Er war durch die Brust getroffen worden. Manzana und ich stürzten aus dem Wagen und legten ihn auf den Rücksitz. Ich wendete so schnell ich konnte und fuhr in rasender Fahrt in die Stadt zurück, zum Lazarett der katalanischen Milizen.
Den Rest weißt du. Das ist alles.«
Ariel
Im Grunde sind wir auf Hypothesen angewiesen. Ich weiß nur, allerdings nicht aus erster Hand, ein Bekannter hat mir das gesagt, allerdings einer, der sehr gut unterrichtet war, ich weiß also nur, daß Auguste Lecoeur, einer der wichtigsten Männer der Kommunistischen Partei Frankreichs, er war bis zu seinem Ausschluß, der Stalinfrage wegen, nach Thorez der zweite Mann in der Partei - daß also dieser Lecoeur, heute Anti-Stalinist, seinen Freunden ganz offen gesagt hat, die Kommunisten seien es gewesen: sie hätten Durruti umgebracht.
Gaston Leval
Anarchistische Bartholomäusnacht in Barcelona ep Paris, 23. November.
Nach dem Echo de Paris ist der katalonische Anarchistenführer Durruti, der die Seele des Widerstandes in Madrid gewesen sei, nicht, wie die Bolschewisten mitteilten, im Kampf gegen die nationalen Truppen gefallen, sondern von Kommunisten ermordet worden.
In Madrid sei es wiederholt zwischen den Kommunisten und Anarchisten bei der Verteilung der aus Plünderungen der Adelspaläste herrührenden Beute zu Auseinandersetzungen gekommen. Bei einem solchen Streit habe Durruti den Kommunisten gedroht, daß er mit seinen Anarchisten nach Barcelona zurückkehren und Madrid seinem Schicksal überlassen werde. Am Abend des gleichen Tages sei Durruti vor der Tür seiner Wohnung von einer Gruppe von Kommunisten überfallen und niedergeschlagen worden.
Wie das Echo de Paris weiterhin aus Barcelona berichtet, haben die Anarchisten in der katalonischen Hauptstadt eine
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