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Der kurze Sommer der Anarchie

Der kurze Sommer der Anarchie

Titel: Der kurze Sommer der Anarchie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Hotel Ritz füllte sich mit Angehörigen der CNT. Viele weinten. Wir wußten nicht, was wir auf ihre Fragen antworten sollten. Nach einer Weile gingen Manzana und Bonilla hinaus. Sie veranlaßten, daß unsere Truppen von der Front abgezogen wurden; sie sahen voraus, daß es zu Streitigkeiten kommen mußte, wenn die Nachricht von Durrutis Tod bekannt würde. Unsere Truppen wurden in einer Kaserne im Vallecas-Viertel zusammengezoeen und erhielten Order, dort zu bleiben.
Durrutis Tod wurde erst am 21. öffentlich bekannt. Am selben Tag wurden wir, die Zeugen, zu Marianet bestellt, der uns schwören ließ, Stillschweigen über die Umstände zu bewahren, unter denen er gestorben war.
    Ramon Garcia Castro

    Durrutis Tod war natürlich ein ungeheurer Schlag. Er kehrt von der Front zurück, in die Stadt, steigt aus dem Wagen und fällt, tödlich getroffen. In der ersten offiziellen Meldung, sie kam von der CNT, hieß es, ein Polizist von der Guardia Civil, ein Scharfschütze der feindlichen Seite, habe ihn von einem Balkon aus mit einer Mauserpistole getroffen. Das setzt eine unglaubliche Präzision voraus, es war ja beinahe ein Herzschuß. Wir konnten es kaum glauben. Er war ja nicht allein, sondern umgeben von seiner Leibwache, seinen Freunden. Wie hätte da die Kugel ihren Weg finden können? Wir hatten unsere Zweifel.
    Jaume Miravitlles 1

    Am Tag nach meiner Ankunft in Madrid suchte ich die Granada-Kaserne auf, in der die überlebenden Soldaten der Kolonne rasteten. Sie hatten sich alle in einem großen Raum versammelt. Mit mir war die damalige Ministerin Federica Montseny gekommen, die als erste sprach. Sie teilte der Truppe mit, daß ich zum Nachfolger Durrutis bestimmt worden sei. Es herrschte die größte Erregung. Abgesehen vom Tode Durrutis, waren auch am Vortage noch zwei Genossen aus der Kolonne bei einem Spaziergang auf offener Straße umgebracht worden. Die Milizsoldaten riefen: »Nein, Sanz, so geht es nicht!«
»Was ist los?« fragte ich. Einer der Soldaten antwortete mir: »Genosse Sanz, es braucht dich nicht zu wundern, wenn wir uns aufregen. Wir sind alle miteinander überzeugt davon, daß es nicht die Faschisten waren, die unseren Durruti getötet haben. Das sind unsere Feinde in den eigenen Reihen gewesen, unsere Feinde innerhalb der Republik. Sie haben ihn umgebracht, weil sie wußten: Durruti war unbestechlich, er ließ sich auf nichts Krummes ein. Und dir wird es genauso gehen, wenn du dich nicht in acht nimmst. Wer revolutionäre Ideen vertritt, der soll liauidiert werden. Darum geht es hier. Es gibt Leute, die Angst haben, daß die Revolution zu weit geht. Gestern sind zwei Genossen hinterrücks ermordet worden, als sie spazierengingen. Sie werden auch dich umbringen, wenn du in Madrid bleibst. Wir wollen hier so schnell wie möglich heraus, wir wollen nach Aragon zurück. Dort wissen wir, mit wem wir es zu tun haben, dort gibt es keine Feinde, die uns aus dem Hinterhalt angreifen.«
So oder so ähnlich dachten alle. Ein erheblicher Teil der Kolonne ist in der Tat nach Aragon zurückgekehrt. Die anderen sind in Madrid geblieben.
    Ricardo Sanz 3

    Kaum war er tot, da ging es schon los mit den Lügen. Die Kommunisten haben ihn umgebracht, der und der hat es mir gesagt. Habt ihr es nicht im Radio gehört? Die Leute von der Kolonne Durruti waren kaum mehr zu halten. Sie wollten ihre Waffen hinschmeißen und nach Hause gehen; alle fürchteten, sie würden auch noch umgebracht. Es war der Rundfunk der Faschisten, der diese Lügen ausstreute. Zuerst hieß es, die Kommunisten. Das hat Queipo de Llano gesagt, der Schreihals der Faschisten. Dann auf einmal änderte er sein Liedchen, nicht die Kommunisten sollten es gewesen sein, sondern Durrutis eigene Wache. War das ein Rummel!
In Madrid stand alles Kopf, die Generalstäbe, die Regierung, alles quasselte durcheinander und erzählte die tollsten Gerüchte. Das hat uns viel Ärger gemacht. Ich bin damals selber zu unsern Zeitungen gegangen, zu den Zeitungen der CNT, und habe gesagt: Wir sind im Krieg, so geht es nicht weiter, ihr müßt eine Berichtigung schreiben, und zwar sofort, der Rummel muß ein Ende haben! Und das haben sie dann auch getan.
    Ricardo Rionda Castro

    Nicht auszuschließen war im ersten Augenblick die Möglichkeit, daß es sich um ein geschickt eingefädeltes Attentat handeln könnte. Dafür sprach die eingefleischte Rivalität, die zwischen den einzelnen Parteien und Gruppen herrschte. Mit Durruti war einer der wenigen weithin sichtbaren

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