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Der kurze Sommer der Anarchie

Der kurze Sommer der Anarchie

Titel: Der kurze Sommer der Anarchie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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die Republik erlangten. (Dazu waren wiederum die Kommunisten außerstande, weil ihr Sieg in Spanien sicherlich einen Weltkrieg ausgelöst hätte, den Moskau zu diesem Zeitpunkt nicht wünschen konnte.)
Es entstand also eine Lage, in der sich die »reinen Ideologen« auf beiden Seiten - hier die Erben von Marx, dort die von Bakunin — gezwungen sahen, mit jenen weniger reinen Leuten zu verhandeln, die in erster Linie dep Krieg gewinnen wollten. Es spricht ganz und gar für Durruti, daß er sich bereit erklärte, nach Madrid zu fahren, um ein Abkommen mit der Kommunistischen Partei und mit der Zentralregierung zu treffen. Er fiel mit seiner Leibwache waffenklirrend in die Kellerrestaurants auf der Gran Via ein, während die Granaten der Franco-Truppen draußen auf den Straßen einschlugen. Die Einwohner von Madrid hatten nie zuvor Krieger gesehen, die so bis an die Zähne bewaffnet waren; der Gedanke, daß diese waffenstarrenden Männer ihnen endlich zu Hilfe kommen sollten, erfüllte sie mit Begeisterung. Durruti verließ seine Leibgarde. Er ging allein zu einem Treffen mit den Kommunisten. Fünfzehn Minuten später wurde er auf offener Straße erschossen, von Agenten einer anarchistischen Gruppe, die sich ausgerechnet »Die Freunde Durrutis« nannte.
Die Historiker des Bürgerkrieges stellen diese Episode gänzlich falsch dar, wenn sie es bei der Erklärung bewenden lassen,
Durruti sei zur Front gefahren und dort von Unbekannten erschossen worden. Aus Gründen, die auf der Hand liegen, brachten die republikanische Regierung und die Kommunistische Partei damals diese Version unter die Leute: beide waren daran interessiert, den Konflikt zwischen Anarchisten und Kommunisten zu bagatellisieren. Es wurde sogar behauptet, Durruti sei einer verirrten Kugel aus den Schützengräben Francos zum Opfer gefallen. Daran stimmt kein Wort. Er ist auf offener Straße, und zwar hinterrücks, erschossen worden. Zahlreiche Beobachter haben sein Ende miterlebt. Sein Tod kann als eine äußerste Demonstration der anarchistischen Denkweise verstanden werden. Auf jeden Fall zeugt er davon, daß der Konflikt zwischen Anarchisten und Kommunisten unlösbar ist.
Die »Freunde Durrutis« hatten sich lange vor dessen Ermordung organisiert. Die Gruppe sollte den Geist des »wahren« Anarchismus und die Opposition gegen die autoritären Tendenzen des Kommunismus repräsentieren. Daß Durruti von seinen eigenen »Freunden« erschossen wurde, ist, so gesehen, nur logisch. Sein Tod war der letzte Akt in der Auseinandersetzung zwischen Bakunin und Karl Marx.
    Anonymus 2

    Wenn ein Mann mitten im Kriege auf offener Straße erschossen wird, so ist es nicht schwer, für seinen Tod entweder den Feind oder die eigene Seite verantwortlich zu machen. Der tödliche Schuß fiel in einem Viertel, aus dem die nationalistischen Truppen soeben vertrieben wurden. Es ist unmöglich, daß der Todesschütze ihn erkannt und in dem Bewußtsein, daß er Durruti vor sich habe, geschossen hat. Denn Buenaventura Durruti trug keinerlei Abzeichen an seiner Uniform. Der Schütze feuerte also auf vorrückende Milizsoldaten, wo er sie traf; er muß also auf Francos Seite gestanden haben.
Es trifft zu, daß Durruti von hinten erschossen wurde. Der Schuß fiel aber von oben her, aus einem jener Gebäude, die noch in der Hand des Feindes waren.
Später gab es bei den Republikanern Auseinandersetzungen über diese Frage. Manche Anarchisten deuteten an, Durruti sei von den Kommunisten umgebracht worden. Das ist unwahrscheinlich. Richtig ist daran nur, daß sein Tod den Kommunisten erhebliche taktische Vorteile brachte. Mit Durruti verschwand die einzige Figur der anarchistischen Bewegung, deren Prestige ausgereicht hätte, den wachsenden Einfluß der Kommunisten einzudämmen.
Die Gruppe der »Freunde Durrutis« ist erst viele Monate nach dessen Tod entstanden. Das ergibt sich schon aus ihrem Namen. Es ist eine Tradition der Anarchisten, ihre Gruppen nach dem oder jenem Toten ihrer Bewegung, einem Philosophen oder politischen Führer zu nennen - nie jedoch nach einem, der noch lebt. Die erste Gruppe dieses Namens hat sich in Paris gebildet. Eine zweite Gruppe entstand in Spanien. Sie bekämpfte die kompromißlerische Politik der CNT und ihr Zurückweichen vor den Erpressungen der Kommunisten. Es stimmt auch nicht, daß Durruti bereit war, sich mit den Kommunisten zu »arrangieren«. Die Kommunisten waren zur Zeit seines Todes gar nicht in der Lage, einen starken Druck auf die

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