Der kurze Sommer der Anarchie
Sterben.« Es war einer von seiner Wache, der mirs gesagt hat, Ramon Garria, so ein kleiner, kurzsichtiger, mit einem schmalen Gesicht.
Ricardo Rionda Castro
Ich saß an meiner Schreibmaschine. Der Nachmittag war schon fortgeschritten, als ich plötzlich Durrutis Chauffeur durch die Tür kommen sah. Er hieß Julio Graves; ein mittelgroßer Junge, der sich immer sehr aufrecht hielt. Er fragte nach meinem Bruder Eduardo, den er aus der Zeit des revolutionären Kampfes in Barcelona gut kannte. Ich sagte ihm, Eduardo habe sich im Zimmer nebenan hingelegt. Ich achtete nicht sonderlich auf den Chauffeur, aber ich erinnere mich, daß er erregt wirkte und traurig aussah. Ich schob es auf die schweren Tage, die wir damals durchmachten.
Als mein Bruder erwacht war, hörte ich, wie die beiden ein paar Worte wechselten. Auf einmal fingen sie an zu weinen. Ich stand sofort auf und ging zu ihnen hinüber. »Was ist los?« fragte ich.
»Durruti ist tödlich verwundet. Vielleicht ist er schon gestorben.«
»Es ist aber besser, wenn niemand etwas davon erfährt«, fügte der Genosse Julio Graves hinzu. Es war fünf Uhr nachmittags.
Wir gingen sofort zu dritt ins Hotel Ritz; dort war das Lazarett der katalanischen Milizen untergebracht. Noch hatten die wenigsten die Nachricht gehört. Im Hospital traf ich Dr. Santamaria, einen anarchistischen Arzt, der mit Durrutis Truppen von der Aragon-Front nach Madrid gekommen war. Groß und hager im weißen Mantel des Chirurgen, unterrichtete er mich über den Zustand des Verwundeten. Durrutis Leben war nicht zu retten.
Eine Krankenschwester kam aus dem Zimmer, in dem er lag. Es war die Rede von einer Sonde, die zweimal eingeführt worden sei.
Ich ging zum Nationalen Subkomitee der CNT. Einige Gerüchte waren bereits durchgesickert. Die Genossen sprachen von der Notwendigkeit zu schweigen. Bis tief in die Nacht hinein wagte ich es nicht, in Barcelona anzurufen und die Nachricht durchzugeben.
Die Führung der Anarchisten war zu Beratungen zusammen getreten; wir mußten den Ausgang dieser Besprechung abwarten. Dabei ging es vor allem andern um die Verteidigung Madrids. Durruti war ein Mann, mit dessen Namen man noch nach seinem Tod eine Schlacht gewinnen konnte - so wie mit dem Namen des Cid.
Ariel
Das genaue Datum weiß ich nicht mehr. Aber eines Nachmittags gegen halb vier Uhr brachten sie uns diesen Führer der spanischen Anarchisten, schwer, nach meiner Ansicht tödlich verwundet, ins Lazarett. Eine moderne Herzchirurgie mit angemessener Methodik und Technologie gab es damals nicht. Ich informierte also meine Kollegen. Der Fall war inoperabel, mit einem tödlichen Ausgang war zu rechnen.
Ich ließ meine Prognose durch eine Kapazität bestätigen, Dr. Bastos, der sich meiner Ansicht anschloß und ebenfalls von einem Eingriff abriet.
Was den Einschuß betrifft, er lag auf der Höhe des Brustkorbs, zwischen der sechsten und siebenten Rippe. Die inneren Verletzungen waren sehr ernst, besonders im Bereich des Pericardiums. Es bestand kein Zweifel daran, daß der Patient verbluten würde.
Martinez Fraile
Als ich ankam, war er noch am Leben. Er hat mich erkannt, er hatte Schmerzen, er wollte reden, aber der Arzt hat es verboten.
Dann hat er noch etwas gesagt, was ich nicht ganz verstand. Irgendwas von Komitees. Zuviel Komitees! Das war immer seine Rede, schon als wir in Madrid ankamen. An jeder Straßenecke gab es ein Komitee; es war, um sie alle aus ihren Löchern herauszuschießen. Zuviel Komitees! Das war das letzte, was er gesagt hat.
Ricardo Rionda Castro
Wie unser Genosse Durruti den Tod fand.
Unser unglücklicher Genosse begab sich gegen halb neun Uhr morgens an die Front, um die Vorposten seiner Kolonne zu besuchen. Unterwegs begegnete er einigen Milizionären, die die Front verließen. Er ließ seinen Wagen anhalten; als er im Aussteigen begriffen war, krachte ein Schuß. Es muß vermutet werden, daß er vom Fenster eines kleinen Hotels an der Plaza de la Moncloa abgegeben wurde. Durruti sank sofort zu Boden, ohne ein einziges Wort zu sagen. Die mörderische Kugel hatte seinen Rücken glatt durchbohrt. Die Verwundung war tödlich, es war keine Rettung möglich.
Solidaridad Obrera
Der Argwohn
Die Atmosphäre in dieser Nacht war außerordentlich unruhig, erregt, gefühlsbeladen. Der bevorstehende Tod Durrutis machte die Leute ratlos; die Furcht vor möglichen Auseinandersetzungen und Bruderkämpfen in den eigenen Organisationen breitete sich aus.
Martinez Fraile
Die Halle des
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