Der kurze Sommer der Anarchie
daß Durruti sich selbst erschossen hat.
Ramon Garcia Lopez
Ich habe früher die Theorie vertreten, daß Durruti einem Attentat zum Opfer gefallen ist. Zu diesem Schluß war ich gekommen, weil ich eine Art Corpus delicti in Händen hatte: das Hemd. Es bewies, daß der Schuß aus der Nähe gefallen sein mußte. Außerdem wußte ich, daß auch Durrutis Witwe gewisse Zweifel an der offiziellen Version hegte. Seitdem habe ich mit vielen Leuten darüber gesprochen, auch mit Freunden Emiliennes. Es scheint, als habe sich das Ganze anders abgespielt, als ich dachte, als wäre beim Aussteigen aus dem Auto Durrutis automatisches Gewehr, ein sogenannter Naranjero (ich habe nie verstanden, warum diese Waffen »Orangenbaum« heißen), von selbst losgegangen und hätte ihn tödlich getroffen. Wenn es so war, wird auch das Verhalten der CNT verständlich. Diese Art von Tod hätte einen Beigeschmack von tödlicher Ironie gehabt; die Massen hätten eine solche Version kaum geglaubt und akzeptiert. Ein Mann, dem der Umgang mit Waffen so selbstverständlich ist wie der Sekretärin ihre Schreibmaschine! Es ist klar, daß die Anarchisten keine Lust hatten, den Mythos, der sich um Durruti gebildet hatte, durch eine so banale Erklärung zu zerstören. Das war undenkbar. Das durfte nicht sein.
Jaume Miravitlles 1
Niemand hat je die Wahrheit erfahren, und zwar deshalb nicht, weil man uns allen einen Eid abgenommen hat. Bis zum Ende des Krieges sollten wir schweigen und weder unsern Eltern und Frauen noch unsern Freunden etwas sagen: einmal, weil dieser Tod für einen Anarchistenführer etwas Lächerliches hatte, zum andern, um dem Verdacht zu begegnen, Durruti sei von seinen eigenen Leuten ermordet worden. Dieser Eid ist uns von Federica Montseny, die damals Minister war, und von »Marianet«, das heißt Mariano R. Väzquez, dem Sekretär des Nationalen Komitees der CNT, abgenommen worden.
Dr. Santamaria, mit dem ich gesprochen habe, wußte nicht zu sagen, woher der Schuß gekommen sein könnte. Aber er hat mir bestätigt, daß er aus einer Entfernung von höchstens fünfzig Zentimetern abgegeben worden sein muß.
Jesus Arnal Pena 3
Manche Leute wollen ja heute noch nichts davon wissen, weil es ihnen nicht in den Kram paßt, aber die Wahrheit kennen sie so gut wie ich. Wir haben doch die Genossen gehört, die bei ihm waren, nämlich Manzana, der sein Stabschef in Madrid gewesen ist, den Chauffeur Estancio und noch einen, der ihn begleitet hat, und was haben die gesagt? Daß ihm aus Versehen das Gewehr losgegangen ist. Er saß so da (Rionda macht es vor) und so hält er das Gewehr, mit dem Lauf nach oben. Er nimmt es und will aussteigen, da klemmt der Abzugshahn am Trittbrett und bums, löst sich der Schuß und geht ihm mitten durch die Lunge. Ich kenne mich mit Schußwaffen aus. Seitdem ich zweiundzwanzig war, bin ich nie ohne meine Pistole aus dem Haus gegangen. Man kann nie wissen, besonders abends und nachts. Ich bin nie auf eine Versammlung gegangen ohne meine Pistole, immer hatte ich sie zur Hand, am Gürtel. Man muß sich jederzeit verteidigen können. Aber Durruti ist immer unvorsichtig gewesen; das war sein Fehler. Ich habe ihm das oft gesagt. Er war zu sorglos; das war auch Marizanas Meinung. Wenn man Auto fährt, hält man das Gewehr nicht so, daß der Lauf auf einen selber gerichtet ist, schon gar nicht beim Aussteigen. Aber Manzana hat mir versichert, daß es so gewesen ist.
Der Naranjero ist eine furchtbare Flinte, er geht leicht los.
Ich kenne ihn gut, denn später habe ich Durrutis Gewehr, dasselbe Gewehr, mit dem es passiert ist, an mich genommen; ich habe es behalten, bis ich nach Frankreich gegangen bin. Auf der Flucht habe ich es an der Grenze zurücklassen müssen.
Ricardo Rionda Castro
Der Nachlaß
Es war einfach unglaublich, er besaß nichts, nichts, überhaupt nichts. Alles, was er hatte, gehörte allen. Als er tot war, machte ich mich auf die Suche nach ein paar Kleidern, in denen wir ihn begraben konnten. Am Schluß fanden wir eine alte Lederjacke, die war ganz abgetragen, ein paar khakifarbene Hosen, und ein Paar zerlöcherte Schuhe. Kurz und gut, das war ein Mann, der alles hergab, es ist ihm kein Hosenknopf geblieben. Er hatte einfach nichts.
Ricardo Rionda Castro
In Durrutis Gepäck wurden folgende Habseligkeiten gefunden: Unterwäsche für einen Wechsel, zwei Pistolen, ein Fernglas und eine Sonnenbrille. Das war das ganze Inventar.
Jose Peirats 1
Durrutis Tod löste in Madrid tiefe
Weitere Kostenlose Bücher