Der kurze Sommer der Anarchie
stattdessen an den Stadtrand zu lotsen. Dort wollte er sie loswerden. Die Polizisten ließen ihm aber keine Zeit dazu: sie erschossen ihn auf der Straße. Ascaso, der im vierten Stock eines Hauses überrascht wurde, warf sich aus dem Fenster und kam mit dem Leben davon, obgleich die Verfolger hinter ihm her schössen. Jover wurde in seiner Wohnung festgenommen und auf das Polizeipräsidium gebracht. Als er später dem Präsidenten vorgeführt werden sollte, kam er auf dem Weg aus seiner Zelle an einer Tür vorbei, die auf die Straße hinausging. Er gab seinen beiden Bewachern ein paar kräftige Schläge vor die Brust und entkam unter einem Hagel von Kugeln.
V. de Rol
Im Sommer 1923, kurz nach der Hinrichtung Reguerals durch die Gruppe Los Solidarios, wurde Durruti auf der Bahnfahrt von Barcelona nach Madrid verhaftet. Die Pressenotiz der Polizei, die am andern Tag in den Zeitungen erschien, wußte keinen andern Grund für die Festnahme anzugeben als den »Verdacht, Durruti sei nach Madrid gekommen, um einen Banküberfall vorzubereiten«. Außerdem liege ein Haftbefehl aus San Sebastian gegen ihn vor, wegen eines bewaffneten Raubüberfalls auf die Geschäftsräume der Firma Gebrüder Mendizabal. Noch am selben Tag fuhr ein Mitglied der Gruppe nach San Sebastian, um die Herren Mendizabal aufzusuchen und ihnen nahezulegen, daß sie Durruti besser aus dem Spiele ließen. Als die Polizei ihn nach San Sebastian überführte und eine Gegenüberstellung veranlaßte, konnten sich die Herren nicht mehr an ihn erinnern. Der Haftrichter mußte ihn freilassen. Einen Tag zuvor hatten Unbekannte den Kardinal Soldevila von Zaragoza an einem Ort namens »El Terminillo« erschossen.
Ricardo Sanz 2
Durruti, Ascaso, Jover und Garcia Oliver beteiligten sich an der Organisation des Mordanschlags auf den Ministerpräsidenten Eduardo Dato.
Allerdings soll Durruti an der Aktion nur am Rande beteiligt gewesen sein. »Die Vorbereitung des Attentats war in Wirklichkeit das Werk von Ramon Archs, der später unter der Folter gestorben ist. Einer der an der Ausführung Beteiligten lebt noch.
Ein anderer Teilnehmer, Ramon Casanellas, entkam in die Sowjetunion und ließ sich dort zum Kommunismus bekehren; er ist bei einem Motorradunfall umgekommen.«
Federica Montseny 2
Ende August 1923 hatten sich die meisten Mitglieder der Solidarios in Asturien versammelt. Am 1. September wurde in Gijon die Filiale der Bank von Spanien überfallen. Dabei ging es ohne Opfer ab; doch wenige Tage später konnte die Guardia Civil in Oviedo einige Genossen stellen, die an dem Coup beteiligt waren. Es kam zu einer Schießerei, bei der Eusebio Brau getötet wurde. Er war das erste Mitglied der Gruppe, das unter den Kugeln der Polizei starb. Außerdem wurde Torres Escartin verhaftet, den die Polizei außerdem noch beschuldigte, für das Attentat auf Kardinal Soldevila verantwortlich zu sein. Escartin wurde von der Polizei gefoltert. Er nahm an einem Ausbruchsversuch aus dem Gefängnis von Oviedo teil, aber die Guardia Civil hatte ihn bei den Verhören so zugerichtet, daß er nicht mehr entkommen konnte.
Die Leiche von Eusebio Brau ist von der Polizei niemals identifiziert worden. Seine Mutter, die schon über 50 Jahre alt und verwitwet war, lebte in Barcelona. Um für ihren Unterhalt zu sorgen, pachtete die Gruppe einen Stand für sie auf dem Markt im Pueblo-Nuevo-Viertel, wo sie zuhause war.
Ricardo Sanz 2
Die Waffen
Was die Waffen angeht, wir hatten nur Handfeuerwaffen, kleine Revolver. Es war in Spanien nicht leicht, Waffen zu kaufen. In Barcelona gab es aber eine Gießerei, in der Genossen von uns arbeiteten. Die sagten, wir könnten den ganzen Betrieb übernehmen und dort unsere eigenen Handgranaten herstellen. Eine sehr gute Sache für die Revolution. Fehlte nur noch das Dynamit, um die Granaten zu füllen. Aber keine Sorge, wir hatten ja auch Genossen, die in den Steinbrüchen arbeiteten, die konnten uns Dynamit besorgen. Ohne Geld aber war nichts zu machen, und das Geld lag in den Banken. Damals glaubten manche, es wäre eine Ketzerei, wenn Leute wie wir, die gegen den Kapitalismus und das Geld waren, uns das Geld aus den Banken holten. Heute ist das die normalste Sache von der Welt geworden. Wir brauchten das Geld ja nicht für uns. Wir nahmen es, weil die Revolution Geld brauchte. Wir waren die ersten, damals in Spanien, die Erfinder sozusagen. Damals hieß es, das ist unmoralisch. Heute weiß jeder, es ist moralisch; damals hieß es ungerecht,
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