Der kurze Sommer der Anarchie
heute weiß jeder, es ist gerecht.
Einmal bin ich mit einem spanischen Schmuggler nach Frankreich gefahren. In Marseille haben wir Waffen besorgt. Der Schmuggler war ein Spezialist in diesen Dingen. Aus Marseille habe ich auch mein erstes Maschinengewehr mitgebracht, ein deutsches Fabrikat. Später, 1936, nach dem Putsch der Generäle, bin ich mit diesem MG auf die Straße gegangen.
Ricardo Sanz 1
Im Oktober 1923, einen Monat nach dem Staatsstreich Primo de Riveras, gelang es den Solidarios, durch einen Mittelsmann bei der Waffenfabrik Garate & Anitua in Eibar 1000 zwölfschüssige Repetiergewehre mit 200 000 Schuß Munition zu kaufen. Für diese Lieferung zahlte die Gruppe 250 000 Peseten. Bereits einige Zeit zuvor hatten die Solidarios im Pueblo-Nuevo-Viertel von Barcelona für 300 000 Peseten eine Eisengießerei erworben. In dieser Werkstatt goß die Gruppe ihre eigenen Handgranatenkapseln und Bombengehäuse. Der Gießer Eusebio Brau übernahm diese Arbeit für die Gruppe. Im Viertel von Pueblo Seco, ebenfalls in Barcelona, verfügten die Solidarios über ein Waffenlager, das, als die Polizei es durch eine Denunziation entdeckte, über 6000 Handgranaten barg. Außerdem gab es, über die ganze Stadt verteilt, eine Reihe von Waffenlagern mit Handfeuerwaffen und Gewehren, die fast alle in Frankreich und Belgien eingekauft worden waren. Sie wurden gewöhnlich über die französische Grenze bei FontRomeu und Puigcerda, wo die Gruppe Mittelsmänner hatte, nach Spanien eingeschmuggelt. Andere Lieferungen kamen auf dem Seeweg an.
Die Solidarios hielten sich strikt an eine Regel: von jeder Aktion durften nur die unmittelbar Beteiligten etwas erfahren, und zwar jeder nur soviel, wie unbedingt nötig war. Es gab in der Gruppe nie einen Chef oder Anführer. Alle Beschlüsse wurden von denen gemeinsam getroffen, die sie ausführten.
Ricardo Sanz 2
Das Nationalkomitee für die Revolution hatte in Brüssel Waffen gekauft und sie über Marseille eingeführt. Aber dieses Material hatte sich als unzureichend erwiesen. Deshalb fuhren Durruti und Ascaso im Juni 1923 nach Bilbao, um dort einen größeren Vorrat zu besorgen. Die Fabrik lag in Eibar. Ein Ingenieur, der dort arbeitete, fungierte als Mittelsmann. Die Waffen sollten offiziell nach Mexico verschifft werden; aber es war vorgesehen, daß der Kapitän, sobald er offenes Meer erreicht hatte, neue Order bekommen und durch die Meerenge von Gibraltar Kurs auf Barcelona nehmen sollte, wo die Ladung weit draußen vor der Reede nachts gelöscht würde. Die Zeit drängte. Die Firma konnte den Liefertermin nicht einhalten, und die Waffen langten erst im September vor Barcelona an, also zu spät: denn inzwischen hatte Primo de Rivera seinen Staatsstreich erfolgreich vollendet. Das Schiff mußte nach Bilbao zurückkehren und die Waffen der Fabrik zurückgeben.
Abel Paz 2
Die Mutter
Später haben wir uns nicht mehr so oft gesehen, aber wir wußten, was in Barcelona los war, und wir hörten von den Kämpfen dort, wenn Durruti nach Leon kam und seine Leute besuchte. Er kam zu seiner Mutter, versteht ihr, und sie mußte ihm seine Kleider flicken und seine Schuhe herrichten. Und die Mutter sagte: »Schon recht, aber manchmal versteh ich die Welt nicht mehr. In den Zeitungen heißt es immer, Durruti hat dies und jenes gemacht und hier und dort, und jedesmal, wenn er heimkommt, hat er nur ein paar Fetzen am Leib. Schaut ihn nur an! Was fällt den Zeitungsschreibern ein? Das ist sicher alles erlogen, die brauchen nur einen Sündenbock, und das soll er sein.« Und wißt ihr, es war wirklich so. Ein paar Jahre lang war Durruti der Teufel, den sie in Spanien an die Wand malten, sobald irgendwo etwas passiert ist in einer Bank oder mit ein paar Bomben. Aber die Mutter schrie: »Das kann doch nicht sein, jedesmal, wenn er nach Haus kommt, flick ich ihm seine Lumpen zusammen, und in den Zeitungen schreiben sie, daß er das Geld mit Schaufeln herausholt, wo er es findet.« Natürlich hat es wirklich eine Menge von Überfällen gegeben, aber Durruti hat das Geld mit einer Hand herausgeholt und mit der anderen hat er‘s weitergegeben, für die Familien der Gefangenen und für den Kampf. Da gibt es nichts zu verstecken, versteht ihr, und da gibt es auch nichts, für das wir uns schämen, daß wir‘s gemacht haben, damit ihr es wißt.
Florentino Monroy
Im Gefängnis waren wir alle, jeder von uns. Einmal? Daß ich nicht lache. Dutzende von Malen. 1923, als der Diktator Primo de Rivera ans
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