Der kurze Sommer der Anarchie
Freund.
Und das paßte mir nicht. Ich war immer mehr ein Mann, der direkt an die Sachen herangeht, und ich wollte an die Front. Wir hatten da noch 24 Maschinengewehre zur Hand und einen Haufen Gewehre, die hatten wir beim Angriff auf die Kaserne von San Andres herausgeholt. Wir taten uns zusammen und packten die Waffen ein und schnappten uns zwei Lastautos und drei Personenwagen und fuhren einfach los, auf dem schnellsten Weg zu Durruti an die Front. Als wir ankamen und er sah uns, da war er entsetzlich zufrieden und schrie: »Da sieht man mal wieder, was es in der Etappe alles zu holen gibt. Wo habt ihr denn die Maschinenge wehre her?«
»Aus der Kaserne«, sagten wir. »Da war eine Mauer herum, an die haben wir Dynamitpatronen gelegt und ein Loch reingesprengt, und die ganzen Offiziere sind dabei draufgegangen.« »Du gehst aber nicht in die Schützengräben«, sagte Durruti, »ich brauche dich hier, denn durch Bujalaroz kommt alles durch, und hier muß Ordnung gemacht werden. Du wirst mein Stellvertreter und bleibst bei der Kolonne.« Also bin ich dageblieben, fünf oder sechs Kilometer von seinem Befehlsstand entfernt. Ich hatte mein Telefon, und er hatte sein Telefon, und wenn etwas los war, haben wir telefoniert. Einmal standen wir gerade auf dem Balkon, Durruti und ich, und plötzlich war der ganze Platz schwarz von Leuten. »Herrgott«, sagte er, »was wollen denn diese Leute hier?« Und die Leute riefen: »Wir wollen mit ihm reden.« Und er sprach vom Balkon herunter und sagte ihnen: »Die Leute aus dem Hinterland sollen dort bleiben, wo sie hingehören« - es waren nämlich eine Menge von ihnen aus Barcelona gekommen -, »und wir bleiben an der Front. Jeder an seinem Platz. Ihr braucht keine Angst zu haben, wir hauen nicht ab, bis wir gesiegt haben. Dann stellen wir uns dem Urteil des Volkes, das werden wir schon sehen. Aber heute gibt es keine Palaver, verstanden? Heute lassen wir alles andere sausen. Es gibt nur eines, und das ist der Krieg.« Das war mir aber doch zu stark. »Was hast du gesagt«, fragte ich, »wir lassen alles andre sausen? Soweit kommt es noch. Wenn ihr die Revolution sausen laßt, dann kann ich ja gleich nach Hause gehen, dann pfeife ich auf den ganzen Krieg.« - »Du verstehst mich nicht«, hat er gesagt. »Was glaubst du denn? Die ganzen Jahre habe ich immer nur an die Revolution gedacht, da hatten wir keine Waffen, und jetzt, wo wir sie haben, meinst du, ich lasse sie sausen? Da kennst du mich schlecht.« Die Leute brüllten wie verrückt, und es gab einen ungeheuren Beifall. Die Zeitungen schrieben sich krumm und lahm über das, was er gesagt hatte.
Ricardo Rionda Castro
Die Grundsätze
Ich fuhr nachts aus Bujaraloz nach Pina. Aus der Dunkelheit tauchten die Trümmer von Maschinen auf, vernichtet von deutsehen Bombenwerfern. Kämpfer mit rotschwarzen Kappen frag ten nach der Parole. Hier stand die Kolonne, die der Anarchist Durruti befehligte.
Vor fünf Jahren habe ich mit Durruti über Gerechtigkeit und Freiheit gestritten. Die Anarchisten kamen damals in einem kleine Cafe in Barcelona zusammen. Es hieß Cafe Tranquilidad, das Cafe zur Ruhe. Durruti war kein Salonanarchist. Er war Arbeiter, stand tagsüber an der Werkbank. Vier Staaten hatten ihn zum Tode verurteilt. Er war kühn und kannte die Schwächen der Menschen. Ich will nicht von seinen Ideen sprechen: ich habe verlernt, mit der Vergangenheit zu diskutieren. Ich traf ihn und glaubte an den Instinkt des Arbeiters. Bei Pina sah ich ihn wieder. Er sprach durch das Feldtelefon, über Verstärkungen. Er zeigte mir die Gräben. Dann begann er über das zu sprechen, was ich Vergangenheit nenne. Die Kämpfer tranken Wasser aus einem Krug. An der Wand hing ein Plakat: »Trinkt Negus-Wein, er regt den Appetit an.«
Durruti baute die Armee auf. Ohne Erbarmen erschoß er Banditen und Deserteure. Wenn jemand bei der Sitzung des Kriegsrates über Prinzipien zu streiten begann, schlug Durruti wütend mit der Faust auf den Tisch: »Hier wird nicht von Programmen geredet, hier wird gekämpft!« Er verlangte Einheit mit den Kommunisten und Republikanern. Er sagte zu den Milizionären: »Jetzt ist nicht Zeit zu streiten. Erst muß der Faschismus vernichtet werden.«
Im Städtchen Pina erschien die Zeitung Frente (Front), das Organ der Kolonne Durutti. Sie wurde im Artilleriefeuer gesetzt und gedruckt. Ich las in dieser Zeitung einen Artikel über die Verteidigung des Vaterlandes: »Die Faschisten haben ausländische Bomben bekommen. Sie
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