Der kurze Sommer der Anarchie
wollen das spanische Volk vernichten. Genossen, wir schützen Spanien.« Die Arbeiter der Fordwerke in Barcelona, Anhänger der CNT und Anhänger der UGT, sandten der Kolonne Durruti Lastwagen. Ich sah, wie anarchistische Arbeiter Jungkommunisten umarmten. Sie haben viel gelernt, diese ewigen Don Quichotes. Sie sprachen nicht mehr von der »Organisierung der Antidisziplin«. Sie hämmerten: »Disziplin!«
Sein Gesichtsausdruck war weich und nachsichtig. Er hatte dun kle, brennende Augen. Er sprach mit großer Erregung. »Wir müssen eine wirkliche Armee schaffen.«
In seinem Stab gab es viele ausländische Anarchisten.
Sie kamen in diese Hütte, wo eine Schreibmaschine stand und drum herum Sandsäcke. Sie brachten nebelhafte Deklarationen der neunziger Jahre. Einer von ihnen unterbrach Durruti: »Aber wir bleiben bei unserem Prinzip des Partisanenkrieges.« Durruti schrie: »Nein! Wenn es nötig ist, werden wir die allgemeine Mobilisierung anordnen. Wir führen eiserne Disziplin ein. Wir verzichten auf alles, nur nicht auf den Sieg.« Über die Chaussee krochen langsam, ohne Lichter, Lastwagen mit Waffen.
Il’ja Erenburg 2
Er verstand, daß man im Angesicht der Faschisten nicht über Grundsätze streiten darf. Er trat für ein Abkommen mit den Kommunisten und mit der Esquerra-Partei ein und schrieb eine Grußadresse an die sowjetischen Arbeiter. Als sich die Faschisten Madrid näherten, beschloß er, sein Platz sei dort, wo es am gefährlichsten ist: »Wir werden schon zeigen, daß die Anarchisten Krieg führen können!«
Ich sprach ihn kurz vor seiner Abreise nach Madrid. Er war wie immer fröhlich und guter Dinge; er glaubte an den nahen Sieg.
»Siehst du«, sagte er zu mir, »wir zwei sind Freunde. Deshalb können wir uns zusammenschließen. Wir müssen uns sogar zusammenschließen. Sobald wir gesiegt haben, sehen wir weiter... Jedes Volk hat seinen Charakter. Die Spanier gleichen weder den Franzosen noch den Russen. Uns wird schon etwas einfallen... Doch zunächst einmal müssen wir die Faschisten vernichten.« Gegen Ende des Gesprächs konnte er seiner Gefühle nicht länger Herr bleiben: »Sag mal, kennst du diesen inneren Riß? Du denkst das eine und tust das andere: nicht aus Feigheit, sondern aus Notwendigkeit.« Ich antwortete, daß ich ihn sehr gut verstehen könne. Zum Abschied klopfte er mir auf die Schulter, wie sich das in Spanien gehört. Seine Augen sind mir im Gedächtnis geblieben. In ihnen paarte sich eiserner Wille mit kindlicher Ratlosigkeit - eine ganz ungewöhnliche Mischung.
Il’ja Erenburg 1
Durruti: Nein, noch haben wir die Faschisten nicht in die Flucht geschlagen. Sie halten nach wie vor Zaragoza und Pamplona, wo die Arsenale und Munitionsfabriken liegen. Wir müssen um jeden Preis Zaragoza erobern.
Die Massen haben sich bewaffnet. Die alte Armee zählt nicht mehr. Jeder Arbeiter weiß, was ein Triumph des Faschismus bedeuten würde: Hungersnot und Sklaverei. Aber auch die Faschisten wissen, was sie erwartet, wenn sie besiegt sind. Aus diesem Grund ist das ein Kampf ohne Gnade. Für uns geht es darum, den Faschismus ein für allemal zu vernichten. Auch, wenn es der Regierung nicht paßt.
Ja, auch dann. Ich sage das, weil es keine Regierung auf der Welt gibt, die den Faschismus bis zum Tode bekämpfen wird. Wenn die Bourgeoisie merkt, daß ihr die Macht entgleitet, dann greift sie auf den Faschismus zurück, um sich zu behaupten. Die liberale Regierung Spaniens hätte die faschistischen Elemente in diesem Land schon längst entmachten können. Statt dessen hat sie gezögert, manövriert und versucht, Zeit zu gewinnen. Sogar heute noch gibt es in unserer eigenen Regierung Leute, die die Aufständischen mit Samthandschuhen anfassen möchten. Man kann ja nie wissen, nicht wahr? (Er lacht.) Vielleicht wird unsere Regierung die aufständischen Militärs eines Tages noch einmal brauchen, um die Arbeiterbewegung zu zerschlagen... Van Paasen: Sie sehen also auch für den Tag, an dem der Aufstand der Generäle niedergeworfen sein wird, noch Schwierigkeiten voraus? Durruti: Ja. Das wird nicht ohne Widerstand abgehen. Van Paasen: Widerstand von welcher Seite? Durruti: Von Seiten der Bourgeoisie natürlich. Wenn die Revolution gesiegt hat, wird sich die Bourgeoisie nicht ohne weiteres geschlagen geben.
Wir sind Anarcho-Syndikalisten. Wir kämpfen für die Revolution. Wir wissen, was wir wollen. Für uns bedeutet es recht wenig, daß irgendwo in der Welt eine Sowjetunion existiert, deren Ruhe
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