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Der kurze Sommer der Anarchie

Der kurze Sommer der Anarchie

Titel: Der kurze Sommer der Anarchie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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früher hatte sich hier die Dorfkirche befunden. Jetzt war in jeder der Nischen, die als Kapellen gedient hatten, ein Lastwagen abgestellt. Zwei Männer in Monteurkitteln rissen mit Pickeln und Schaufeln die letzten Reste von vergoldetem Kitsch und falschem Marmor herunter. Der Staub der Stuckdecken lag in der Luft. Ich schaute zu, und die Milizsoldaten sahen mir ins Gesicht, um daran abzulesen, was ich von ihrer Arbeit hielt. »Sie haben sehr solide Häuser für ihre Heiligen gebaut«, sagte der eine schließlich, der vergebens versuchte, eine Säule abzureißen, »und dabei haben diese Heiligen überhaupt nie existiert. Wenn es das Haus eines Arbeiters wäre, das fiele mit dem ersten Schlag der Picke zusammen, denn für die Lebenden haben sie sich weniger Mühe gegeben.«
»Jedenfalls habt ihr jetzt eine gute Garage«, sagte ich. »Eine hervorragende Garage, Genosse.« »Ob es immer eine Garage bleiben wird? Was meint ihr?« »Immer nicht. Nur, bis wir mit dem Feind fertig geworden sind. Schauen Sie mal da rüber, Genosse.« Ich sah hinaus. Auf der anderen Seite des Platzes waren einige Männer eifrig dabei, einen Graben auszuheben. »Da drüben bauen wir eine Markthalle. Die Wasserleitung wird eben gelegt. Früher haben unsere Frauen ihre Waren auf der Straße verkaufen müssen. Alles voller Fliegen. Jetzt wird ein sauberer Markt gebaut. Das ist gut für unsere Gesundheit, wissen Sie.«
Die beiden Mechaniker hatten unterdessen mein Motorrad startbereit gemacht. Sie hatten es gut mit mir gemeint und jede Schraube mit Öl gereinigt. »Was schulde ich Ihnen?« fragte ich.
»Das ist schwer zu sagen, Genosse«, sagte der Mechaniker. »Es war ja nur eine Kleinigkeit. Das machen wir umsonst.« »Immerhin hat Sie das zwei Stunden Ihres Lebens gekostet. Das ist keine Kleinigkeit. Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen einen Beitrag für den Antifaschistischen Fonds der Milizen gebe.«
Damit waren sie einverstanden. Ich hinterließ fünf Mark für die Dorfkasse und fuhr weiter.
    John Langdon-Davies

    Die Kollektivierung
    13. August  In der Schankwirtschaft des Ortes findet eine allgemeine Bauernversammlung statt; es ist die Fortsetzung der gestrigen Versammlung zur gleichen Frage. Eine Handvoll Anarchisten hatte die Bauern zusammengerufen und Tardienta zur Kommune erklärt. Niemand hatte widersprochen. Aber am darauffolgenden Morgen war es zu Zwistigkeiten und Protesten gekommen, ein paar Bauern gingen zu Trueba und baten ihn, in seiner Eigenschaft als Kriegskommissar diese Sache zu regeln. Sehr wichtige Fragen sind jetzt: Verteilung des Bodens und der Ernte, Formen der Bewirtschaftung. Fast überall teilt man den bei faschistischen Grundbesitzern konfiszierten Boden unter den ärmsten Bauern und Landarbeitern auf. Die Gutsernten bringen die Bauern und Landarbeiter gemeinsam ein und verteilen sie dann entsprechend der geleisteten Arbeit. Manchmal werden auch andere Prinzipien berücksichtigt: Man geht von der Anzahl der Esser aus. Aber im rückwärtigen Frontgebiet erscheinen einige Gruppen von Anarchisten und Trotzkisten. Sie verlangen als erstes: sofortige Kollektivierung aller Bauernwirtschaften; als zweites: Requirierung der Ernte von Feldern der Gutsbesitzer durch die Landkomitees; und als drittes: Konfiszierung von Grund und Boden bei Mittelbauern, die fünf bis sechs Hektar besitzen. Auf Grund von Befehlen und Drohungen sind bereits einige Kollektivwirtschaften entstanden. Der niedrige Saal mit Steinfußboden und Holzpfeilern ist bis auf den letzten Platz besetzt. Eine Petroleumlampe blakt, Strom wird für Filmvorführungen gespart. Herber Geruch von Leder und scharfem kanarischem Tabak. Wären nicht dreihundert Baskenmützen, hätten die Männer nicht Papierfächer, könnte man glauben, wir wären in einem Kosakendorf am Kuban. Trueba eröffnet mit einer kurzen Rede die Versammlung. Er erklärt, daß sich der Kampf gegen die faschistischen Grundbesitzer richte und für die Republik geführt werde, für die Freiheit der Bauern, für ihr Recht, das Leben und die Arbeit so zu gestalten, wie sie es für richtig befänden. Niemand könne den aragonesischen Bauern seinen Willen aufzwingen. Hinsichtlich der Kommune könnten nur die Bauern selbst entscheiden, niemand außer ihnen und niemand an ihrer Statt. Die Truppen und er, der Kriegskommissar als ihr Vertreter, könnten nur versprechen, daß sie die Bauern vor jeder diktatorischen Maßnahme, woher sie auch kommen möge, schützen würden. Allgemeine Befriedigung. Schreie:

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