Der Kuss der Göttin (German Edition)
Moder, Papier und feuchtem Staub steigt mir in die Nase. Ich würge und huste dann, als ich noch eine Lunge voll von der muffigen Luft einatme und mir sage, wie froh ich sein kann, dass ich aus dem Schneegestöber und dem wirbelnden Wind heraus bin. Ich leuchte um mich, aber der Lichtstrahl ist zu schmal, um viel erkennen zu können. Hauptsächlich Kisten. Etwas, das aussieht wie Bücher, die in dickem braunem Papier eingebunden sind, aber an den Kanten durchgerissen. Vielleicht sogar durchgekaut.
Denk nicht einmal darüber nach.
Oder über die Tatsache, dass mein Handyakku jede Minute den Geist aufgeben könnte. Vielleicht könnte ich eine Taschenlampe machen ? Weiß ich, wie man eine Taschenlampe macht? Ich knirsche mit den Zähnen – darum werde ich mich kümmern, wenn es so weit ist. Hoffentlich werde ich es nicht müssen.
Es gibt einen langen Holztisch voller körniger Erdklumpen – die wahrscheinlich von der wurzeldurchzogenen Decke gefallen sind –, übersät mit einem Durcheinander aus Papieren und mehreren Gegenständen, die ich aus der Entfernung nicht identifizieren kann. Als habe jemand den Raum eilig verlassen. Ich trete vor, meine Füße machen auf dem warmen, weichen Höhlenboden kein Geräusch.
Ein Buch, mehrere verstreute Blätter Papier, ein paar angelaufene Silberschmuckstücke. Münzen.
Münzen?
Ich schaue genauer hin, dann hebe ich eine auf. Das Metall fühlt sich schwer an. Massives Gold. Ich glaube nicht, dass das echtes Geld ist, aber ich fühle mich schon wie eine Diebin, nur weil ich eine anfasse. Die eiskalte Oberfläche scheint sich in meine Handfläche zu brennen.
Ich lege sie wieder hin und wende mich stattdessen dem offenen Buch zu.
Es ist mit derselben Schmutzschicht bedeckt wie der Rest des Tisches, und ich beuge mich tiefer, um den Schutt von einer der Seiten wegzuschnippen, wobei ich versuche, ihn nicht auf dem brüchigen Papier zu verschmieren. Ich wünschte, ich hätte eine Art Bürste oder Tuch.
Das Licht meines Handys scheint in die Nähe meiner Finger, und mein Verstand schnappt ein paar Worte auf, bevor ich die Seite gesäubert habe.
So gefällst du mir gut.
Ein warnendes Kribbeln durchfährt mich, und ich halte den Atem an, versuche, keinerlei Reaktion zu zeigen, als ich noch mehr von der Erde wegwische und mich bemühe, die verblasste, schnörkelige Schreibschrift zu lesen.
Bevor ich ihn aufhalten konnte, berührte er meine Wange und flüsterte: »Du bist schön, weißt du das?« Nie hatte ein Mann auf diese Weise mit mir gesprochen!
Mein Atem geht stoßweise und schnell, doch mein Blick jagt schon weiter.
Vor allem nicht Mr Quinn Avery, nach dem sich jedes Mädchen der Stadt verzehrt, mag er auch nur ein Zugezogener sein. Ich hätte ihn ohrfeigen sollen, gehen, ihn beschämen. Doch ich stand nur wie von einem Zauber an Ort und Stelle gebunden. Es mag so gewesen sein. Verzaubert von diesen grünen Augen.
Ich weigere mich, Quinn anzusehen – das kann unmöglich sein richtiger Name sein, nicht nach dem hier. Ich gebe vor, nichts gesehen zu haben, und blättere behutsam bis zum Titelblatt vor.
Ich weiß, was ich finden werde, aber ich brauche noch einen Beweisfetzen. Meine Finger zittern, als ich die Titelseite erreiche und den Namen lese, der dort eingeätzt ist.
Rebecca Fielding.
Becca.
Ich wirble mit wie eine Waffe erhobenem Handy zu Quinn herum, bevor er tun kann, was auch immer er an finsteren Machenschaften vorhat. Doch mein Lichtstrahl zeigt mir einen leeren Raum, wo Quinn eben noch gestanden hat. Ich habe noch nicht entschieden, ob er ein gewöhnlicher Stalker oder Mörder ist, oder ob er mit dem Sonnenbrillentypen im Bunde ist oder wer auch immer mich jagt, aber ich werde nicht darauf warten, dass er wiederkommt.
Schnell schnappe ich mir das Tagebuch, laufe zum Eingang und stürme hinaus, ohne mir die Mühe zu machen, die Tür zu schließen. Ich muss zu Benson!
Abrupt bleibe ich stehen.
Meine Fußspuren sind komplett verschwunden.
Gute fünf Zentimeter unberührte Schneedecke hat sich in der kurzen Zeit, die ich in der Erdhöhle verbracht habe, über alles gelegt, und jetzt habe ich nichts, dem ich folgen könnte. Ich bin desorientiert, aber ich habe eine ungefähre Ahnung, aus welcher Richtung wir gekommen sind. Solange ich in diese Richtung laufe, müsste ich – im schlimmsten Fall – auf der Hauptstraße herauskommen.
Von dort aus werde ich Benson finden können. Hoffentlich, bevor ich mich zu Tode friere. Und bevor die Leute, die uns
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