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Der Kuss der Göttin (German Edition)

Der Kuss der Göttin (German Edition)

Titel: Der Kuss der Göttin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aprilynne Pike
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jagen, mich finden.
    Ich weiß nicht einmal mehr, welche Leute damit gemeint sind.
    Angestrengt lausche ich auf das Geräusch von Schritten hinter mir, während ich durch den Wald stürme, ohne mir die Mühe zu machen, leise zu sein. Mein Bein pocht, meine Lungen schmerzen von der frostigen Luft, und mehr als laufen kann ich nicht. Die Schneeflocken stechen mir ins jetzt schon eiskalte Gesicht und vernebeln mir die Sicht, bis ich das Gefühl habe, ich laufe im Kreis.
    Vielleicht tue ich das auch.
    Dankbarkeit erfüllt mich, als ich Lichter zwischen den hohen Bäumen erspähe, und in kürzerer Zeit, als ich es für möglich gehalten hätte, bin ich wieder auf der Straße.
    Aber ich bin nicht in Sicherheit.
    Ich bin auf der falschen Seite von Camden; deshalb war ich so schnell auf der Straße. Um zu Benson zu gelangen, werde ich den ganzen Weg durch die Innenstadt gehen müssen.
    Es gibt keine andere Möglichkeit.
    Es ist jetzt nach zwei Uhr morgens, auf den Straßen herrscht geisterhafte Stille, abgesehen von ein paar Betrunkenen, die wahrscheinlich auf dem Nachhauseweg zu kitschigen Bed-and-Breakfast-Pensionen sind. Ich falle auf, da bin ich mir sicher. Aber ich habe den Verdacht, keiner wird mich aufhalten, solange sie keinen großen Typen in Kleidung aus der Zeit des Unabhängigkeitskrieges hinter mir herjagen sehen.
    Und dann würde er gefangen.
    Und er könnte mich nicht mehr quälen.
    Ich hasse mich dafür, dass mir die Tränen übers Gesicht laufen und eisige Linien auf meinen Wangenknochen bilden. Ich war mir so sicher – jeder Instinkt in mir schrie, ich könne Quinn vertrauen. Es ist schlimm genug, wenn man der eigenen Familie und der Therapeutin nicht trauen kann. Jetzt kann ich nicht einmal mehr mir selbst trauen.
    Vielleicht konnte ich das nie.
    Mein Körper ist so erschöpft, dass ich es kaum erkenne, als ich endlich auf der anderen Seite der Stadt angekommen bin. Der Gehweg endet, wird zu einem bröckeligen Seitenstreifen voller nasser Hügel aus frischem Schnee, und mir rutschen die Füße weg. Mir fällt kein Wort ein, das schlimm genug wäre, um die Qual zu beschreiben, die in meine Hüfte schießt, als ich hart auf der Seite lande, also beiße ich stattdessen die Zähne zusammen und unterdrücke ein schwaches Wimmern. Ich nehme mir eine Sekunde – vielleicht nur eine halbe Sekunde –, um in die schneeflockengesprenkelte Dunkelheit hinter mir zu spähen.
    Die Andeutung einer Bewegung.
    Quinn?
    Ich weiß es nicht, aber ich bin wieder auf den Beinen und laufe weiter, bevor mein Verstand verarbeiten kann, was auch immer meine Augen gesehen oder nicht gesehen haben.
    Endlich erreiche ich die Straße, wo wir das Auto geparkt haben. Jeder Muskel meines Körpers schmerzt, und meine Hände sind so taub, dass ich kaum die Schlüssel greifen kann, als ich sie aus meiner Tasche fische. Ich reiße die Tür auf und lasse mich auf den Fahrersitz fallen; meine Finger drücken sofort den Knopf zum Verschließen. Ich versuche immer noch mit tauben Fingern zitternd den Schlüssel ins Zündschloss zu stecken, als Bensons Stimme an meine Ohren dringt.
    »Was ist los?«, will er wissen und klingt nicht besonders schläfrig. »Was ist passiert?«
    »Quinn hat mich gefunden; wir fahren.«
    »Quinn? Aber du« – er zögert, dann fügt er kleinlaut hinzu –, »du bist wegen Quinn hergekommen; du … du magst ihn.«
    »Nicht mehr«, sage ich, aber der Schmerz in meiner Brust straft mich Lügen.
    Meine Lungen brennen, und meine Beinmuskeln protestieren, als ich aufs Gaspedal trete und mich zwinge, unterhalb der Geschwindigkeitsbegrenzung zu bleiben. Ich bin dankbar, dass ich noch lebe.
    Ich hätte nie nach Camden kommen sollen. Ich bin so dumm. Quinn war nie vertrauenswürdig – er hat mich immer links liegen lassen. Warum dachte ich, dieses Mal würde es anders sein?
    Mein ganzer Körper ist angefüllt mit dem tiefsten, traurigsten Leid, das ich je erfahren habe. Es ist sogar irgendwie schlimmer als in dem Moment, in dem mir bewusst wurde, dass meine Eltern tot sind. Die Welt dreht sich, und ich will am liebsten schreien, das Universum verfluchen, weil es ihn mir genommen hat, gerade als ich auf den Geschmack kam.
    Ich möchte weinen, aber ich bin über den Punkt hinaus.
    Er ist weg.
    Ich bin allein.
    Und ein Teil meines Herzens, den ich nicht kannte, zerbricht.

K apitel 24

    A m nächsten Morgen konzentriere ich mich auf die Nachrichten im Fernsehen. Alles, nur nicht Benson anschauen. Es gibt weitere Opfer des

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