Der Kuss der Göttin (German Edition)
Stille um uns herum. »Aber das weißt du schon, oder?«
Er beißt die Zähne zusammen. Das ist Antwort genug.
»Du hast in meinem Traum eine Rose gemacht«, sage ich, und die Vorahnung schnürt mir die Brust zu. »Du bist wie ich. Du … du machst Dinge.«
Wieder antwortet er nicht, aber ich bin mir sicher, ich habe recht.
»Quinn, bitte, was bin ich? Was sind wir ?« Das Wort Erdgebundene blitzt wieder in meinem Kopf auf, aber es bringt mehr Fragen als Antworten.
»Ich habe dir Dinge zu zeigen«, sagt er einfach. »Hier entlang.« Er dreht sich um und geht direkt in den Wald, ohne sich umzuschauen, ob ich ihm folge.
Dieselben Worte. Derselbe merkwürdige Tonfall. Ich habe dir Dinge zu zeigen . Nicht: Ich möchte dir etwas zeigen . Ich zögere, bevor ich in die spinnwebartigen Schatten der astfreien Bäume trete. Es ist wie in allen Horrorfilmen, die ich je gesehen habe. Die, in denen das dumme Mädchen am Ende tot ist.
Aber ist das nicht das, was ich wollte? Bin ich nicht den ganzen Weg hierhergefahren, um ihn zu finden?
Ich durchforste meine Gefühle, suche nach etwas – einem Zeichen, einem Omen, ich weiß es nicht –, doch obwohl sich mir der Kopf dreht und die Fingerspitzen kribbeln, ist es in Erwartung, nicht aus Angst.
Mit einem weiteren Blick auf das dunkle Auto, ziehe ich mein Handy heraus und schalte es ein. Vier neue Nachrichten: drei von Jay und eine von einer unbekannten Nummer. Ich schließe die Anzeige und schalte die Taschenlampenfunktion ein, bevor ich in die Dunkelheit des Waldes eintauche, um Quinn zu folgen. Die Dunkelheit in meinem Traum fällt mir wieder ein und ich reibe mir schaudernd die Arme.
Quinn ist wie ein Irrlicht, immer drei Meter vor mir, egal, wie schnell oder langsam ich bin. Ich habe es aufgegeben, ihn einholen zu wollen; dann geht er nur schneller. Ich konzentriere mich besser darauf, nicht gegen Büsche oder tief hängende Äste zu stoßen – einen brennenden Kratzer habe ich schon auf der Wange.
Die Angst, die ich weggeschoben habe, als ich angefangen habe, Quinn zu folgen, ist wieder da. Selbst wenn Quinn mir nichts tut, bin ich vollkommen ungeschützt. Ganz zu schweigen davon, dass ich Benson total schutzlos zurückgelassen habe. Falls jemand das Auto gefunden hat – der Sonnenbrillentyp, Elizabeth, wer zum Geier weiß schon, wie viele Leute mich suchen –, könnte er mit Leichtigkeit Benson kaltmachen und mir dann von hinten eine Kugel in den Kopf jagen.
Am schlimmsten von allem ist, dass meine Leiche in diesem Wald vielleicht nie gefunden wird.
Der Ge danke jagt mir einen erneuten Schauder über den Rücken, und ich balle die Fäuste und zwinge mich, schneller zu gehen. Es ist zu spät, um jetzt noch umzukehren – ich werde mich einfach mit den Konsequenzen abfinden müs sen.
K apitel 23
Q uinn steuert ungefähr in Richtung Camden zurück, aber immer noch tief innerhalb des Waldes. Es kommt mir vor, als seien wir schon Stunden unterwegs. Mit beinahe tauben Fingern schaue ich auf die Uhrzeitanzeige meines Handys.
Ich habe das Auto vor fast einer Stunde verlassen. Mir ist so kalt, dass ich kaum meine Zehen bewegen kann, und es schneit derart heftig, dass ich Quinn, der nur wenige Schritte vor mir ist, fast nicht sehen kann.
»Quinn«, rufe ich leise und jogge, um ihn vielleicht diesmal einzuholen. »Ich kann nicht mehr viel weiter«, sage ich, überrascht, als er mich tatsächlich näher kommen lässt. »Wie weit ist es noch?«
Doch er schweigt. Ich schaue mich um, meine Handylampe schneidet schmale Strahlen in den dichten Wald. Wir müssen fast vier Kilometer vom Wagen entfernt sein, aber abgesehen davon habe ich keine Ahnung, wo ich bin. Ich versuche, nicht darüber nachzudenken, wie kalt mir sein wird, bis ich wieder zurück bin.
Oder wie hoch die Sonne bis dahin stehen wird.
»Da sind Leute …« Ich stolpere und brauche einen Moment, bis ich mich wieder gefangen habe. »Leute, die mir folgen. Die auf mich schießen . Ich kann nicht einfach so weggehen. Mein … Freund Benson ist immer noch dahinten im Wagen. Quinn!«, rufe ich flüsternd, aber meine Stimme wird von dem frischen Pulverschnee gedämpft.
Der Lichtstrahl meines Handys streift einen schnee bedeckten Erdhügel, aus dem welkes Gras ragt, und zieht meine Aufmerksamkeit auf sich, und als ich einen Schritt darauf zumache, bewegt sich Quinn mit mir in dieselbe Richtung.
»Hier entlang«, flüstert er. Er zeigt auf den kleinen Hügel und ich gehe weiter. Blätter und Schnee knirschen
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