Der Kuss der Göttin (German Edition)
spröde, beinahe brüchig. »Ich glaube, meine Rippen sind geprellt.«
»Was um alles in der Welt ist passiert?«
»Pack deine Sachen, wir müssen weg.«
»Was meinst du mit weg?«
»Nicht weit, aber wir sind hier nicht sicher. Gegenüber ist ein anderes Hotel.«
»Aber …«
»Bitte, Tavia, wir haben keine Zeit !«
Die Verzweiflung in seiner Stimme treibt mich an. Ich kreise im Raum, schnappe alles, was ich sehe und stopfe es in meinen Rucksack. Ich halte die beladene Tasche vor die Brust und verstecke mich unter meiner Kapuze, als Benson die Tür wieder öffnet. Eisige Luft strömt herein und wirbelt um meine nackten Waden und sockenlosen Füße in den Tennisschuhen, doch als Benson sich umdreht und mich fragt, ob ich bereit zum Gehen sei, nicke ich.
Wir sprinten durch den Schnee, haben Mühe, nicht auf dem eisigen Pflaster auszurutschen, als wir von einem Hotelparkplatz zum anderen wechseln. Benson führt mich um das Gebäude herum zu einem langen Seitentrakt mit Zimmern und fasst dann in seine hintere Hosentasche. »Stell dich da rüber, vor mich«, sagt er.
Ich tue verwirrt, was er sagt, verstehe es aber, als ich sehe, wie Benson mit seinen winzigen Dietrichen an dem alten Sicherheitsschloss hantiert.
»Du hast uns kein Zimmer gebucht?«, flüstere ich.
»Willst du unbedingt morgen tot sein?«, gibt er mit vollkommen uncharakteristischer Ungeduld zurück.
Da verstehe ich, was für eine Angst er hat. »Nein«, antworte ich leise. »Danke.«
Die Tür öffnet sich Augenblicke später, und Benson macht mir ein Zeichen, einzutreten. Als er das Licht einschaltet, sehe ich, was ein Spiegelbild des Zimmers sein könnte, in dem wir eben waren. Andere Farben, eine Lampe weniger, ansonsten austauschbar.
Das Schweigen zwischen uns wird dichter.
»Was ist mit dir passiert?«, frage ich schließlich; ich ertrage den Verdacht nicht, dass er meinetwegen Ärger bekommen hat. Meine Gedanken fliegen zurück zu dem Sonnenbrillentyp, der es anscheinend geschafft hat, uns bis zur Bibliothek zu verfolgen. Und heute Abend waren wir wirklich nicht besonders vorsichtig. Nicht vorsichtig genug.
»Können wir bitte nicht darüber sprechen?«, fragt Benson und klingt so müde, dass ich beinahe nachgebe, aber ich kann es einfach nicht auf sich beruhen lassen.
»Die Kurzversion«, bitte ich.
»Ich bin zu einem Pfandleiher gegangen, wie ich dir gesagt hatte, und habe das Gold in Bargeld eingetauscht, und ich war so darauf fixiert, wie viel uns das einbringt, dass ich schlampig wurde. Hab nicht aufgepasst. Es war dunkel und ich … man konnte sich leicht an mich anschleichen.«
»Oh nein«, sage ich, denn ich weiß, was kommt.
Benson wendet sich ab und fängt an, seine Taschen auf den Nachttisch zu leeren, inklusive einem dicken Packen Zwanziger. Oder sind das Hunderter? Er fährt matt fort: »So ein Typ springt heraus und hält mir eine Waffe an den Kopf und will wissen, wo du bist.«
»Wo ich bin?« Ich hatte recht; mir wird übel. »Was hast du getan?«
Ohne sich umzudrehen, hebt er seine umwickelte Faust. »Ich habe ihm in die Zähne geboxt.« Er gluckst freudlos. »Das hat ihm nicht besonders gefallen«, sagt er und zeigt auf sein jetzt schon dunkel werdendes Auge.
Ich schlucke trocken und überlege, ob er sich Knochen in der Hand gebrochen oder nur die Haut verletzt hat. »Wie bist du davongekommen?«
»Ich habe ein paar gute Schläge gelandet, die Waffe fiel in den Schnee und ich habe es ins Auto geschafft. Er hat nicht geschossen. Wahrscheinlich wollte er mich nicht umbringen, bevor er herausgefunden hat, wo du bist.«
»Benson.« Meine Finger streichen über seinen klammen Mantel seinen Rücken hinauf.
»Tu das nicht«, sagt er. »Bitte.«
»Okay«, flüstere ich verständnislos.
»Du bist sauber«, murmelt er als halbherzige Erklärung. »Und ich stinke total. Du solltest mich besser nicht anfassen.«
»Ich …« Aber was soll ich sagen? Die Wahrheit ist, dass ich mich so danach sehne, ihn anzufassen, dass ich mich kaum beherrschen kann. Aber das würde nichts helfen.
»Ich sollte duschen«, sagt er, und ich drehe mich um, versuche, ihm die Privatsphäre zu geben, die er so offen fordert, aber nach ein paar Sekunden höre ich unterdrückte Flüche. Ich blicke mich um und sehe, dass er es geschafft hat, seinen zweireihigen Mantel abzustreifen, aber Schwierigkeiten hat, mit seiner verletzten Hand sein Hemd aufzuknöpfen.
»Lass mich helfen.« Ich eile zu ihm, doch Benson springt zurück wie ein
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