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Der Kuss der Sirene

Der Kuss der Sirene

Titel: Der Kuss der Sirene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Hubbard
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leidenschaftliche Art hätte lieben können, wie ich ihn geliebt hatte. Mein sechzehnter Geburtstag hätte ein Anfang für uns sein können. Doch stattdessen war er das Ende.
    Â»Gute Nacht, Steven.« Ich stehe auf und klopfe mir den Schmutz von den Knien, dann laufe ich zurück zum Weg. Es ist noch dunkler geworden.
    Â»Bis morgen«, flüstere ich, als könnte er mich hören.

Kapitel 5
    Ich bin die ganze Nacht geschwommen, doch als ich am Morgen die Schule betrete, habe ich immer noch ein flaues Gefühl im Magen. Ich ziehe den Reißverschluss meiner Fleecejacke hoch, wie um mich zu wappnen.
    Zwei Wochen des neuen Schuljahres sind vergangen und das bedeutet: Heute ist mein Geburtstag. Eigentlich sollte das Anlass zur Freude sein. Doch mein Geburtstag wird für immer Stevens Todestag sein und keiner aus meiner alten Clique wird mich das je vergessen lassen. Die Polizei hat zwar die Ermittlungen eingestellt, aber für alle anderen bin ich die Schuldige. Ich werde immer diejenige sein, die ihnen Steven genommen hat.
    Ich recke das Kinn vor, ziehe die Schultern zurück und mache mich auf den Weg zu meinem Spind, als würde ich die aufmerksamen Blicke meiner Klassenkameraden nicht bemerken.
    Ein jüngerer Schüler, der die angespannte Stimmung im Gang offenbar nicht bemerkt hat, läuft an mir vorbei. Er betrachtet mich fast ein wenig lüstern von oben bis unten, bis er meinen Blick auffängt und sich hastig abwendet.
    Sienna und ihr Freund, Nicki und Kristi stehen nicht weit von meinem Spind entfernt vor einem großen Erkerfenster, das offiziell für Oberstüfler reserviert ist. Inoffiziell ist der Platz nur den wirklich angesagten Oberstüflern vorbehalten, also gehört er ihnen. Warum bin ich bloß mit einem Spind so nah an ihrem Treffpunkt gestraft?
    Vor dem Schloss versuche ich meine zitternde Hand ruhig zu halten, sie sollen mir nichts anmerken. Beim ersten Versuch vermassle ich die Zahlenkombination und muss noch einmal von vorn anfangen. Ich spüre die bohrenden Blicke in meinem Rücken, fühle, wie sie mich beobachten. Meine Brust zieht sich zusammen und das Atmen fällt mir schwer. Endlich erwische ich die letzte Ziffer und die Tür klappt auf.
    Ein Schwall Sand rieselt mir entgegen und sammelt sich direkt vor meinen Füßen. Meine Bücher, meine Hefter, alles ist voller Sand.
    Ich wirbele wütend herum und frage mich, wer das gemacht hat. Sienna tritt näher und baut sich vor mir auf, die Hände in die Hüften gestemmt. Sie trägt einen knielangen schwarzen Rock und eins von Stevens alten T-Shirts. Ich habe es seit einem Jahr nicht mehr gesehen. Seit meinem siebzehnten Geburtstag, als sie es ebenfalls in der Schule anhatte. Ich frage mich, was sie sonst noch von ihm aufgehoben hat.
    Meine Brust hebt und senkt sich rasch. Ich bin kurz davor, die Fassung zu verlieren. Am liebsten würde ich einfach wegrennen.
    Â»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag«, sagt Sienna mit zitternder Stimme.
    Ich blinzele.
    Sie klingt nicht verärgert.
    Ich ringe die Hände. »Wie lange willst du das noch durchhalten?«
    Sie neigt den Kopf zur Seite. Das Licht, das zum Fenster hereinfällt, lässt die Tränen in ihren Augen schimmern. »Bis ich meinen Bruder wiederhabe.« Dann dreht sie sich um und geht.
    Ich will ihr hinterherrufen, dass ich ihn mir genauso sehr zurückwünsche wie sie. Will ihr sagen, dass ich ihn niemals töten wollte, sie anflehen, mir das nicht länger anzutun – aber ich schlucke die Worte herunter.
    Die Clique zerstreut sich. Ich knalle meine Spindtür zu und laufe in die andere Richtung davon.
    Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Lexi.
    Als ich zu Hause ankomme, sitzt Grandma mit geschlossenen Augen in ihrem Lehnstuhl und ihr gleichmäßiges Schnarchen erfüllt das Wohnzimmer. Ich bleibe mit meinem schweren Rucksack in den Händen stehen und betrachte sie.
    Ihr graues Haar ist ungekämmt, ihre rosa Jogginghose und das passende Sweatshirt sind ein wenig zerknittert. Trotzdem wirkt sie entspannt wie nie.
    Ich gehe in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten. Das wird mich eine Weile beschäftigen. Ich überprüfe die Vorräte und gehe mit verschränkten Armen die Menümöglichkeiten durch. Für irgendetwas Aufwendiges bin ich nicht in Stimmung. Ich will die Mahlzeit einfach nur hinter mich bringen, überzeugend lächeln und mich in mein Zimmer

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