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Der Kuss der Sirene

Der Kuss der Sirene

Titel: Der Kuss der Sirene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Hubbard
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dass er mir den Hof gemacht habe, aber sie wollte nichts davon wissen.
    Mir ist fast nichts geblieben, aber wenn Will sein Versprechen hält, wird alles gut.
    Charlotte
    15. Februar 1750
    Ich kann Will nicht finden. Er ist seit mehr als einer Woche nicht mehr zu Hause gewesen. Ich habe ein kleines Zimmer über einer Schenke gemietet, denn mehr kann ich mir nicht leisten. Ich wohne nur ein paar Meilen von Wills Anwesen entfernt in der Nähe der Klippen von Exmoor. Ich hatte ursprünglich vor, ins Landesinnere zu reisen, doch ich bringe es nicht über mich, das Meer hinter mir zu lassen. Was sonderbar ist, denn ich habe den salzigen Geruch in der Luft immer verabscheut.
    Charlotte
    Der Kloß in meinem Hals wächst. Das ist es also. So hat alles begonnen. Vor zweihundertfünfzig Jahren. Meine Hände zittern, als sie über das wellige vergilbte Papier streichen. Ich blättere die Seite um.
    21. März 1750
    Ich habe mich in der letzten Nacht völlig grundlos im Meer schwimmend wiedergefunden. Ich bin froh, nicht ertrunken zu sein, denn ich habe nie schwimmen gelernt. Ich möchte nach Hause gehen, aber ich habe kein Zuhause mehr. Ich glaube, ich erwarte ein Kind, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe zwei Briefe an Will geschickt, aber er hat nicht geantwortet. Ich vermute, Julia konnte meine Briefe irgendwie abfangen.
    Charlotte
    30. März 1750
    Ich kann hier nicht länger bleiben, denn ich bin fast mittellos und werde schon bald auf die Straße geworfen. Ich muss in den Süden reisen, um meine Cousine zu finden, und beten, dass sie mich aufnimmt.
    Aber ich werde nicht gleich gehen. Ich kann es nicht ertragen, diesen Ort zu verlassen, ohne Will noch einmal gesehen zu haben. Ich suche noch ein letztes Mal Varmoths Herrensitz auf, vielleicht ist er doch noch zurückgekehrt.
    Ich muss wissen, ob er Julia wirklich heiraten wird, wie es in den Zeitungen steht.
    Charlotte
    2. April 1750
    Er ist tot. Ich habe etwas Schreckliches getan. Ich verstehe nicht, was mit mir geschehen ist, aber ich muss fliehen.
    Julia hat etwas mit mir gemacht. An ihrem irren Blick hätte ich erkennen müssen, wie verzweifelt sie war. So verzweifelt, dass sie etwas getan hat, was ich niemals für möglich gehalten hätte.
    Ich muss umgehend mit ihr sprechen – bevor ich als Mörderin gehängt werde. Ich bin nur eine Dienerin und er ist ein Herzog. Sie werden nicht ruhen, bis sie die Wahrheit herausgefunden haben.
    Bis sie mich gefunden haben.
    Charlotte
    Ich blättere um, doch es gibt keine weiteren Einträge in Charlottes dunkler, steifer Handschrift. Ich blättere ein paar Seiten vor und wieder zurück, um zu verstehen, was hier vor sich gegangen ist.
    Die nächste Datierung geht auf das Jahr 1766 zurück. Die Einträge sind in einer anderen Handschrift verfasst, die leichter und schnörkeliger wirkt als die Charlottes. Ich blättere zu ihren Aufzeichnungen zurück und rechne nach.
    Sechzehn Jahre. Es gibt eine Lücke von sechzehn Jahren. Ich halte den Atem an, während meine Augen über die ersten Zeilen wandern.
    Es ist Charlottes Tochter. Wills Tochter. Und sie ist mit demselben Fluch belegt. Die Kehle schnürt sich mir zu und ich höre mitten im Satz auf zu lesen. Ich blättere einige Seiten weiter und halte bei einer neuen Handschrift an. Diesmal liegen achtzehn Jahre dazwischen. Ein neues Mädchen, dieselbe Geschichte. Auf der ersten Seite fasst die Schreiberin die letzten Jahre zusammen. Sie erzählt davon, wie sie zum ersten Mal getötet hat.
    Ich blättere wieder ein paar Seiten zurück. Warum hat Charlotte aufgehört zu schreiben? Ist sie gestorben oder hat sie das Buch einfach an ihre Tochter weitergegeben?
    Ich blättere die Seiten immer schneller um, während sich die Handschrift immer wieder ändert. Ich kann es nicht ertragen, diese Geschichten zu lesen, nicht heute. Ich vermute, dass sie sich alle auf eine schmerzhafte Art und Weise ähneln.
    Gerade als ich das Buch zuschlagen will, fällt mein Blick auf die letzten Einträge.
    Das ist die Handschrift meiner Mutter.
    Die Zeilen tragen kein Datum und wurden offenbar nur schnell auf die Seiten gekritzelt, als wäre Mum in großer Eile gewesen.
    Es fällt mir schwer zu atmen, als ich die ersten Worte auf der Seite lese.
    Ich habe ihm die Wahrheit gesagt. Ich dachte, dass er mich liebe und dass er bleiben würde. Wenn schon nicht meinetwegen,

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