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Der Kuss der Sirene

Der Kuss der Sirene

Titel: Der Kuss der Sirene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Hubbard
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kräftiger und voller, je schneller ich paddele. Ich weiß nicht, warum ich das tue. Ich weiß nur, dass es sich richtig anfühlt. Als hätte ich mein ganzes Leben darauf gewartet, im Meer zu schwimmen und dieses Lied zu singen.
    Meine Arme rudern wie von selbst weiter, bis ich mich schneller durchs Wasser bewege als jedes andere Lebewesen. Nur undeutlich nehme ich wahr, dass Steven hier draußen bei mir ist, aber aus irgendeinem Grund kann ich nicht klar denken. Der Gesang wird immer intensiver und vibriert in meiner Brust. Doch als ich zu einem weiteren Schwimmzug aushole, verstummt er. Plötzlich herrscht Stille. Verschwunden ist mein Verlangen nach dem Gesang. Schlagartig bin ich wieder klar im Kopf.
    Was habe ich getan? Wo ist Steven?
    Ich strecke den Kopf aus dem Wasser und versuche in der Ferne den Strand auszumachen. Ist Steven schon aus dem Wasser raus? Ich spähe in die Dunkelheit, aber ich kann nicht mehr als sechs Meter weit sehen. Ich lasse mich an der Wasseroberfläche treiben und warte.
    Schwimmen mag ich auf einmal nicht mehr. Ich will nur noch raus aus dem Wasser. Ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, warum ich überhaupt unbedingt habe schwimmen wollen. Es ist fast Mitternacht und bestimmt wird bald ein Gewitter aufziehen.
    Ich lege mich auf den Rücken und rudere in Richtung Ufer. Da stoße ich so stark mit der Hand gegen einen Widerstand, dass die Erschütterung in meinem Kopf widerhallt. Schnell richte ich mich auf und paddele nur noch mit den Füßen.
    In der tiefen Dunkelheit kann ich nichts erkennen. Ich strecke die Hand aus. Zuerst weiß ich nicht, was ich da spüre. Doch dann trifft mich die Erkenntnis.
    Haare.
    Haut.
    Ich zucke so schnell zurück, dass ich untertauche und Wasser schlucke. Ich muss mich anstrengen, um meinen Kopf über Wasser zu halten, während ich huste und keuche.
    Ich strecke erneut die Hand aus. Mein Herz pocht wie verrückt und meine Hand zittert, als ich den Körper umdrehe.
    Es ist …
    Steven.
    Ein Schrei löst sich aus meiner Kehle und ich erstarre für einen Moment. Meine Beine hören auf zu strampeln und ich gehe langsam unter. Doch dann huste ich weiter Meerwasser aus und beginne wieder im Wasser zu treten. Ich sehe Stevens Körper in den Wellen treiben.
    Mein Verstand ist jetzt glasklar und treibt mich an. Ich hake meinen Arm unter sein Kinn und stoße mich vorwärts in Richtung Küste. Ich gleite schneller durch das Wasser, als sonst ein Mensch schwimmen kann. Nie hätte ich geahnt, dass ich solche Kräfte besitze. Nur Sekunden später ziehe ich Steven an Land.
    Aber er hat sich nicht ein Mal bewegt. Er hat nicht in meinen Armen gestrampelt.
    Nein! Nein, nein, nein!
    Ich beuge mich zu ihm hinunter und versuche ihm wieder Leben einzuhauchen. Ich verschließe seine Nase und gebe ihm meinen ganzen Atem. Ich drücke auf seine Brust, um sein Herz wieder zum Schlagen zu bringen. Er kann doch nicht einfach tot sein. Das kann nicht sein. Wir waren doch gar nicht lange voneinander getrennt.
    Ich hämmere immer verzweifelter auf seine Brust ein, versuche Luft in seine Lunge zu pressen, doch es hilft alles nichts. Tränen steigen mir in die Augen.
    Â»Steven!«, schreie ich ihn an.
    Seine Augen wirken leer und glasig. Dieser Blick geht mir durch und durch.
    Ich beuge mich über ihn und lasse meinen Tränen freien Lauf. Ich weine um alles, was er war, um alles, was wir beide niemals sein werden.
    Ein Truck rumpelt so laut auf der Straße vorbei, dass ich einen Satz zurück mache. Das Geräusch holt mich in die Wirklichkeit zurück.
    Ich brauche Hilfe. Jemand muss mir helfen.
    Schilfgras schneidet in meine nackten Füße, während ich die sandige Uferböschung hinaufklettere. Unter einer Straßenlaterne bleibe ich stehen. Die Nachtluft fühlt sich auf einmal kalt auf meiner feuchten, nackten Haut an. Der Regen, der sich schon seit Tagen angekündigt hat, rieselt herab.
    Zwei Lichter bewegen sich auf mich zu, ein Wagen biegt um die Kurve. Ich stolpere in die Mitte der Straße und winke mit den Händen über dem Kopf. Die Scheinwerfer blenden mich, ich halte mir die Hand vor die Augen. So klitschnass und halb nackt muss ich völlig verrückt aussehen.
    Ein Dachscheinwerfer wird eingeschaltet und die Lichter blitzen rot und blau auf.
    Es ist ein Polizeiwagen.
    An jedem Tag meines Lebens straft mich die Erinnerung an diese Nacht und immer endet die

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