Der Kuss der wilden Rose: Mittsommerhochzeit (German Edition)
Nummer ihrer Freundin und Mitbewohnerin Clarissa, die in Deutschland geblieben war, um sich um Lottes Gärtnerei zu kümmern.
Als ob das nötig wäre, so wie die Geschäfte derzeit liefen …
“Hej”
, meldete sie sich gespielt fröhlich. “Hast du etwa schon Sehnsucht nach mir?”
“Vorhin war ein Geldeintreiber hier”, sprudelte es aufgeregt aus Clarissa heraus. “Als ich ihm sagte, dass du nicht da bist, ist er wieder abgezogen, aber er wird garantiert wiederkommen.” Sie atmete zitternd ein. “Mir ist echt nicht wohl bei der Sache. Was soll ich denn machen, wenn er nicht locker lässt?”
Lotte holte tief Luft. “Jetzt beruhige dich erst mal”, bat sie. “Und dann erzähl noch einmal genau, was eigentlich passiert ist.”
Mit jedem Satz, den Clarissa sagte, sank Lottes Stimmung weiter dem Nullpunkt entgegen. Sie hatte ja gewusst, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb, aber dass es schon so schlimm stand …
Vor zwei Jahren hatte sie endlich ihren großen Traum in Angriff genommen und ihr Heimatland Schweden verlassen. In Deutschland betrieb sie seitdem eine kleine Gärtnerei, die auch recht gut anlief – bis zu dem Tag, an dem sie den größten Fehler ihres Lebens beging. Lotte stellte jemanden ein, der ihr zum Dank für ihr Vertrauen das Bankkonto leer geräumt und mit ihrem gesamten Vermögen das Weite gesucht hatte.
Nein, korrigierte sie sich selbst. Dies war ihr zweitgrößter Fehler. Der allergrößte lag schon länger zurück. Fünf Jahre, um genau zu sein. Damals hatte sie ebenfalls einem Mann vertraut, wenn auch in völlig anderer Hinsicht, und es kurze Zeit später bitter bereuen müssen.
Lorenz …
Sie schüttelte den Kopf, weil sie jetzt lieber nicht darüber nachdenken wollte. Das Thema Lorenz gehörte endgültig der Vergangenheit an, sie würde ihn nie wiedersehen, und das war gut so.
Energisch lenkte sie ihre Gedanken wieder in die Gegenwart. Deutschland hatte auf ihrer großen Reise eigentlich nur die erste Station von vielen sein sollen. Sie hatte so viele Pläne gehabt! Die ganze Welt wollte sie sehen und dann nach Brasilien gehen, um dort endlich die Parks und Gärten zu gestalten, von denen sie schon ihr ganzes Leben lang träumte.
Doch wie es aussah, war gleich die erste Station zur Endstation geworden.
“Hör zu”, informierte sie Clarissa. “Ich regle das alles, sobald ich wieder zurück bin. Und wenn noch einmal einer von diesen Kerlen in der Gärtnerei auftaucht, rufst du mich sofort an, verstanden?”
Lotte beendete das Gespräch und schloss gequält die Augen. Ihre Knie waren plötzlich ganz weich, und ihr Herz hämmerte wie verrückt. Was sollte sie nur tun? Sie besaß keinerlei finanzielle Rücklagen mehr, und selbst wenn alles optimal lief, würde sie kaum vor Ablauf des Monats wieder über Geld verfügen. Ob sich ihre Gläubiger in Deutschland so lange vertrösten ließen? Sie konnte es nur hoffen.
Eines stand jedenfalls fest: Sollte es ihr nicht gelingen, die Aufgabe, für die sie zurück nach Schweden gekommen war, zu erfüllen, brauchte sie sich keine Hoffnungen mehr zu machen. Dann war alles aus.
Als sie die Augen wieder öffnete, hatte sie Kärlekholmen fast erreicht. Wie ein grünes Juwel ragte die kleine Insel aus den blaugrauen Fluten der Ostsee. Über die Wipfel der Bäume hinweg konnte sie einen ersten Blick auf Kärlekholmen Slott erhaschen – dem Schloss, das in den nächsten Wochen ihr neuer Wirkungskreis sein würde und das geradewegs einem Märchenbuch entsprungen zu sein schien. Die Fassade schimmerte in einem zarten Rosa, und fast das gesamte untere Stockwerk des dreigeschossigen Hauptgebäudes bedeckten üppig blühende Kletterrosen. Vier schlanke Türme, deren blaugrüne Kupferdächer im strahlenden Sonnenschein schimmerten, begrenzten den Mittelbau. Ein großer Schlossgarten umgab die Gebäude. Jahrzehntelang in Vergessenheit geraten, sollte er jetzt im Auftrag der königlichen Familie wieder zu neuer Pracht erweckt werden.
Lotte holte tief Luft. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass ausgerechnet sie für das schwedische Königshaus arbeiten sollte. Wo sie doch die Monarchie für das beste Beispiel einer hoffnungslos altmodischen und verstaubten Institution hielt. Was für eine Ironie des Schicksals!
Nachdem sie Schweden vor zwei Jahren endgültig den Rücken gekehrt hatte, war sie fest entschlossen gewesen, nie wieder zurückzukehren. Doch nun war sie wieder da, und es gab keinen Grund, sich darüber zu beklagen. Denn dieses
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