Der Kuss der wilden Rose: Mittsommerhochzeit (German Edition)
Angebot gab ihr die einmalige Chance, ihre Existenz zu retten, und sie konnte es sich nicht erlauben, wählerisch zu sein. Wenn sie hier scheiterte, würde ihr keine andere Wahl bleiben, als ihre Träume endgültig zu begraben.
Dann müsste sie Deutschland verlassen, für immer zurück nach Schweden kommen und ihren Eltern gegenüber eingestehen, versagt zu haben.
Doch das wollte sie nicht, und genau deshalb hatte sie die Chance dankbar ergriffen.
Jetzt konnte sie nur noch hoffen, dass alles gut lief.
“Gleich sind wir da,
fröken”
, rief Henner, der Kapitän des Motorboots. Er war ein alter Schwede mit wettergegerbter Haut und hellblauen Augen, der immer wieder mit einer Hand unter seine marineblaue Schiebermütze fasste, um sich am Kopf zu kratzen. “Wenn Sie mir die Frage erlauben: Was will eine so bezaubernde junge Dame wie Sie auf diesem gottverlassenen Steinbrocken mitten im Meer?”
Lotte lachte leise. “Mir eine neue Zukunft aufbauen”, erwiderte sie und wurde gleich wieder ernst. “Zumindest mit ein bisschen Glück.”
Darauf brummte der alte Schwede irritiert, hakte jedoch nicht weiter nach. Lotte wandte ihren Blick wieder Kärlekholmen zu und beschirmte die Augen mit der Hand gegen die blendende Sonne. Sie sah eine Person am Ende des Anlegestegs, von der sie allerdings lediglich Umrisse erkennen konnte.
Das wird dann wohl mein Begrüßungskomitee sein …
Henner legte an und half ihr von Bord. Dann reichte er Lotte ihren Koffer.
“Na dann, alles Gute und viel Glück!”, verabschiedete er sich freundlich.
“Tack!”
, bedankte sie sich lächelnd. “Das kann ich brauchen!”
Noch einmal winkte sie ihm mit der freien Hand zu, dann drehte sie sich um und ging den Steg hinunter. Noch immer blendete sie die Sonne, und sie wusste nicht, wer sie am anderen Ende des Anlegers erwartete. Allerdings wunderte sie sich schon ein wenig darüber, dass die Person ihr nicht entgegenkam, um ihr mit dem schweren Koffer zu helfen. Aber vielleicht erwartete sie auch einfach zu viel.
Inzwischen hatte sie das Ufer beinahe erreicht. Irritiert blinzelte sie gegen die Sonne an. Etwas an der Person vor ihr kam ihr merkwürdig bekannt vor.
Kein Zweifel, es handelte sich um einen Mann. Und die Art und Weise, wie er die Hände in den Taschen vergrub, die leicht zur Seite geneigte Haltung … Nein, unmöglich! Die Person, an die sie unwillkürlich dachte, konnte es nicht sein.
Und dennoch, für einen kleinen Moment …
“Willkommen auf Kärlekholmen”, sagte eine tiefe raue Stimme, in der kaum verhohlene Feindseligkeit mitschwang. “Schauen Sie sich ruhig um – und dann kehren Sie am besten gleich wieder dorthin zurück, wo Sie hergekommen sind!”
Unwillkürlich zuckte Lotte zusammen. Was sollte das? Diese Stimme …
Nein, dachte sie entsetzt. Das kann nicht sein. Das
darf
einfach nicht sein!
In diesem Moment schob sich eine Wolke vor die Sonne – und beseitigte auch den letzten Zweifel.
Vor Schreck glitt ihr der Griff des Koffers aus der Hand.
“Lorenz!”
“Lotte?” Ungläubig starrte Lorenz die Frau an, die gerade mit dem Motorboot vom Festland angekommen war. Zuerst hatte er ihr Gesicht nicht richtig erkennen können, da sie mit einer Hand ständig ihre Augen beschirmte. Dann war er im ersten Moment überzeugt gewesen, sich zu täuschen, aber nun, als sie direkt vor ihm stand, gab es keine andere Möglichkeit mehr: Es war Lotte.
Seine
Lotte!
Wie lange mochte es her sein, seit sie sich zum letzten Mal gesehen hatten? Das musste er sich jedoch gar nicht fragen, denn er wusste es genau. Fünf Jahre und einen Monat – eine unendlich lange Zeit.
Sie war noch immer wunderschön. Nein, sogar noch schöner als früher. Ihr kupferfarbenes Haar, das im goldenen Sonnenlicht schimmerte, fiel ihr in weichen Wellen bis auf die Schultern, und die türkisfarbenen Augen glänzten wie das Meer an einem sonnigen Sommertag.
Er hatte sie nie vergessen können. Wie auch, schoss es ihm durch den Kopf. Dann, mit einem Mal, schwang seine Stimmung um. Der winzige Anflug von Freude über das unerwartete Wiedersehen wich einer grenzenlosen Wut.
Wut, die einzig und allein dieser Frau galt, der er nie mehr hatte begegnen wollen. Die ihm das Schlimmste angetan hatte, was eine Frau einem Mann antun konnte.
“Was hast du hier zu suchen?”, machte er seinem Ärger Luft. “Kärlekholmen ist in Privatbesitz, unbefugtes Eindringen ist strengstens verboten. Ich könnte die Polizei rufen, ist dir das eigentlich
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