Der Kuss der wilden Rose: Mittsommerhochzeit (German Edition)
würde, um sie abzuholen und zum Schloss zu bringen, beschloss sie, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Von neuer Entschlossenheit erfüllt, stand sie auf, nahm den Koffer und folgte dem schmalen Pfad, der durch ein kleines Waldstück führte. Golden sickerte das Sonnenlicht durch die Kronen der Bäume. Am Wegesrand blühten blaue Kornblumen und leuchtend roter Klatschmohn. Die Luft roch nach Erde, Meer und süßem Jasmin.
Und dann tauchte Kärlekholmen Slott vor ihr auf, und sie holte tief Luft.
Wie in einem Märchen …
Stolz ragten die vier von Zwiebelkuppeln gekrönten Türme des Schlosses in den strahlendblauen Sommerhimmel, und die zahllosen weiß umrahmten Fenster des Hauptgebäudes glitzerten im Sonnenlicht.
Kletterrosen rankten fast bis unter das geschwungene Dach aus blaugrünem Kupfer empor. Es war ein traumhafter Anblick. Genau so hatte sie sich als kleines Mädchen ein echtes Märchenschloss vorgestellt.
Fast rechnete sie damit, dass jeden Moment ein Ritter hoch zu Ross aus dem Unterholz brechen würde, um sie in sein Zauberreich zu entführen. Dabei glaubte sie schon lange nicht mehr daran, dass es so etwas wie einen Traumprinzen tatsächlich gab.
Nicht, nachdem Lorenz sie einfach …
Unwillig schüttelte sie den Kopf. Du wolltest doch nur noch nach vorn blicken, rief sie sich in Erinnerung.
“Lotte? Lotte Rosenblad?”
Der Mann, der ihr ziemlich außer Atem entgegenkam, entsprach gewiss nicht ihrer Vorstellung vom Traumprinzen, an den sie eben beim Anblick des Schlosses noch gedacht hatte. Er war Mitte bis Ende fünfzig und trug einen dichten weißgrauen Vollbart, der gut und gern sein halbes, von Wind und Wetter gegerbtes Gesicht bedeckte. Sein Lächeln war so einnehmend, dass er Lotte auf Anhieb sympathisch war. An seiner Seite trottete ein großer dunkler Hund, der bei Lottes Anblick freudig mit dem Schwanz wedelte. “Mein Name ist Petter. Petter Svensson, und das ist mein Hund Odin. Ich bin hier so etwas wie der Hausmeister und sollte Sie eigentlich abholen, aber ich komme wohl etwas zu spät.” Er holte tief Luft. “
Välkommen
auf Kärlekholmen!”
Dabei reichte er ihr die Hand, und Lotte lächelte erleichtert. Diese freundliche Begrüßung versöhnte sie fast damit, dass es sich bei dem ersten Menschen, dem sie auf Kärlekholmen begegnet war, ausgerechnet um Lorenz Bengtsson gehandelt hatte. “
Tack så mycket!”
, bedankte sie sich. “Ich freue mich, Sie kennenzulernen!”
“Sie müssen von der Anreise ziemlich erschöpft sein. Kommen Sie”, sagte er und nahm ihr den Koffer ab. “Ich bringe Sie zum Schloss und zeige Ihnen das Gästezimmer, in dem Sie für die Dauer Ihres Aufenthalts wohnen werden.”
Lotte nickte. Wieder kam ihr Lorenz in den Sinn. Bei dem Gedanken daran, ihn schon bald wiedersehen zu müssen, stieg ein beklemmendes Gefühl in ihr auf. Gleichzeitig war ihr klar, dass sie sich ihm früher oder später stellen musste. Aber jetzt galt es erst einmal, all die neuen Eindrücke, die auf sie einstürzten, zu verarbeiten.
Während Petter sie durch den Schlosspark führte, bekam sie einen ersten Eindruck von dem, was sie in den nächsten Wochen erwarten würde: eine Menge knochenharter Arbeit.
Dass die Gärten von Kärlekholmen Slott in keinem besonders guten Zustand waren, hatte sie natürlich gewusst. Dass sie allerdings so verwildert sein würden, damit hatte sie nicht gerechnet.
Die großen Hoffnungen, mit denen sie vor zwei Tagen in Deutschland aufgebrochen war, schwanden. Ihr blieben nur wenige Wochen, um den Auftrag zu erfüllen, Kärlekholmen Slott Gården in einen traumhaften Landschaftsgarten zu verwandeln. Es mangelte keinesfalls an Potenzial – aber waren all diese Arbeiten in der kurzen Zeit, die ihr zur Verfügung stand, überhaupt zu bewältigen?
Als sie jedoch kurz darauf die imposante Eingangshalle von Kärlekholmen Slott betrat, waren ihre Zweifel und Sorgen für einen Moment vergessen. Der Anblick verschlug ihr fast den Atem.
“Das ist einfach wunderschön!”, stieß sie entzückt aus und schaute sich mit großen Augen um. Den Boden bedeckte derselbe strahlend weiße Marmor, aus dem auch die sanft geschwungene, sich nach oben hin verbreiternde Treppe war. Eine Galerie umgab die ganze Halle in etwa vier Metern Höhe, und von der Decke hing ein gewaltiger Kronleuchter herab, dessen Kristalllüster in allen Regenbogenfarben glitzerten. “Und dieses prachtvolle Anwesen steht wirklich die meiste Zeit des Jahres leer?”
Petter lachte.
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