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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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beginnt ja bereits, dunkel zu werden. Aber lasst mich euch trotzdem rasch ansehen.« Wie ein aufmerksamer Hütehund umrundete sie die drei Besucher. Vor allem Miu schien ihr besonderes Interesse zu gelten. Die aufwendige Flechtfrisur und das neue weiße Kleid, das anzuziehen Raia sie gezwungen hatte, schienen Mayet einigermaßen zu gefallen, denn sie nickte kurz. Dann jedoch verengte sich ihr Blick. »Wieso trägst du denn nicht die schönen Karneole?«, fragte sie streng.
    »Kann ich nicht. Ich hab sie dem Pharao nämlich zurückgegeben«, murmelte Miu.
    »Du hast was?« Mayet war jäh zurückgewichen, als hätte sie eben erfahren, dass Miu an einer ansteckenden Krankheit litt. »Wie kannst du es wagen, den Goldhorus derart zu beleidigen?«
    »Worum geht es hier eigentlich?«, mischte sich jetzt Ramose ein, während Raia ihm ein Zeichen machte, still zu sein. »Habt ihr schon wieder neue Geheimnisse vor mir?«
    »Du hast mir doch den Schmuck gegeben und nicht er!«, rechtfertigte sich Miu, an Mayet gewandt. Ihr wurde immer unbehaglicher zumute. Nicht auszudenken, wenn jetzt auch noch Papa sie aushorchen wollte!

    »Aber ich tat es selbstverständlich in seinem Namen!«, rief Mayet. »Glaubst du denn, irgendetwas in diesem Palast geschähe ohne die Einwilligung Tutanchamuns? Mir scheint, du hast noch sehr viel zu lernen, Mutemwija!«
    Mayet packte Miu am Handgelenk und zog sie eher mit sich, als dass sie sie geführt hätte. Ramose und Raia schlossen sich an, gefolgt von der Leibwache. Schon von Weitem hörten sie Musik, die immer lauter wurde, je näher sie kamen, helle Harfentöne, über denen das fröhliche Trillern von Flöten schwang. Als sie endlich vor den geöffneten Türen des Palasts standen, waren sie vom Glanz der unzähligen Lichter beinahe geblendet.
    Doch es gab keine Zeit für langes Staunen. Mayet trieb sie weiter, durch immer neue Räume, die festlich erleuchtet waren, bis sie schließlich in einem lang gestreckten Saal angelangt waren. Niedrige Tische, flankiert von gemütlichen Polstern, die zum Sitzen einluden, füllten den Raum. Ganz am anderen Ende erstreckte sich die reich geschmückte Tafel des königlichen Paares, das etwas höher platziert war.
    »Hier sollen wir sitzen - ganz im Abseits?« Ramose war die Enttäuschung deutlich anzusehen, während Miu und Raia eher erleichtert wirkten.
    »So hat der Pharao es beschlossen«, antwortete Mayet und entfernte sich.
    Leicht benommen nahm die kleine Familie Platz und ließ sich von eilfertigen Dienern die Hände mit feuchten Tüchern säubern. Während noch Wein ausgeschenkt wurde, stieg die Musik zu einem trommelnden Stakkato an - das Königspaar war eingetroffen.Anchesenamun silbrig gekleidet wie der Mond, während der nackte Oberkörper
des Pharaos mit Goldschmuck behängt war, der im Schein der Öllampen glänzte wie die Sonne. Ausnahmsweise schienen die Hunde an diesem Abend von der Tafel verbannt. Stattdessen trug Tutanchamun auf seinem Arm Jamu, den Feuerkater, den er schließlich behutsam neben seinem Platz absetzte.
    Auf sein Zeichen hin verstummte die Musik. Dann setzte sie erneut ein, leiser und harmonischer als zuvor.
    »Was machen wir hier eigentlich?«, zischte Miu Raia zu, die darauf bestanden hatte, sich nur winzige Portionen auflegen zu lassen, obwohl das Essen köstlich schmeckte.
    »Woher soll ich das wissen? Ein wenig Geduld, mein Mädchen. Vielleicht klärt sich das Rätsel ja bald.«
    Jetzt ertönten Rahmentrommeln und Schellen. Eine Schar Tänzerinnen lief in den Raum, nackt bis auf einen breiten, perlengeschmückten Gürtel auf den Hüften. Sie stellten abenteuerliche Verrenkungen zur Schau und waren so gelenkig, dass man hätte meinen können, sie besäßen gar keine Knochen.
    »Sieh einfach nicht hin, wenn es dir unangenehm ist«, sagte Raia leise, der nicht entgangen war, dass Miu auf einmal angestrengt in die andere Richtung schaute. »Ihre Nacktheit hat nichts zu bedeuten. Das gehört bei Hof nun mal bei solchen Darbietungen dazu. Schon damals in der Sonnenstadt …«
    »Raia«, unterbrach Ramose sie scharf. »Nicht wieder diese alten Geschichten!«
    »Schon gut.« Sie lehnte sich in die Kissen zurück. »Ich bin ja schon still!«
    Die Tänzerinnen hatten ihre Darbietung beendet.
    »Die meisten von ihnen stammen wohl aus dem Harim
des Königs«, sagte Raia. Eine Antwort, die Miu ganz und gar nicht gefiel. Sie hatte von den Nebenfrauen des Pharaos bereits gehört, doch sie hier so spärlich bekleidet mit eigenen Augen

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