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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Geheimnis, Balsamierer?« Nefer hatte sich wieder seinen Enten zugewendet. »Wer hätte das gedacht!«
    »Nun, nicht direkt ein Geheimnis.« Ramose war es plötzlich sehr heiß geworden. Beging er gerade einen großen Fehler? Sein Herz riet ihm, nichts mehr zu sagen. Aber irgendetwas musste er ja preisgeben, wenn er sich jetzt nicht vollkommen lächerlich machen wollte. »Eher
etwas, das mit allergrößtem Fingerspitzengefühl behandelt werden sollte. Von diesem Brief hängt einiges ab. Nicht nur für mich, das solltest du wissen, sondern auch für Miu und meine Schwiegermutter …«
    »Bemüh dich nicht weiter!« Das kam so scharf, dass Ramose erschrocken innehielt.
    »Was soll das heißen?«, fragte er.
    »Dass ich dir nicht helfen werde«, sagte Nefer.
    »Aber du warst doch früher Schreiber, einer der kundigsten und besten der Sonnenstadt!«
    »Eben. Ich war Schreiber. Und das ist lange her, vergangen und vergessen.« Nefer brach ab und sah Ramose auf einmal direkt in die Augen. »Doch nur wer sich erinnert, kann auch vergessen!«
    Ramose war wie erstarrt. Was redete der andere da?
    »Jetzt führe ich seit Jahren diese Schenke«, fuhr Nefer fort. »Und brate Enten, wie du siehst. Du musst dir jemand anderen suchen. Aber warte besser nicht zu lange damit! Denn dunkle Geheimnisse haben Ähnlichkeit mit rohem Fleisch: Sie beginnen schnell zu stinken, sobald man sie aus dem Verborgenen hinaus ins grelle Tageslicht zerrt.« Seine Feindseligkeit war mit Händen zu greifen.
    Ramose starrte ihn an, bemerkte erst jetzt das strähnige Haar, den fettigen Schurz, die schweren Lider. Um Nefers Lippen lag ein verächtlicher Zug. Wie hielt Taheb es bloß mit ihm aus? Das war nicht mehr der Mann, der in der Sonnenstadt einst zu den größten Talenten im Lebenshaus gezählt hatte!
    »Was ist?«, fragte Nefer, weil Ramose sich noch immer nicht rührte. »Hast du etwa noch einen weiteren Gefallen auf Lager, um den du mich angehen willst? Ich fürchte,
dafür hast du dir einen denkbar schlechten Tag ausgesucht!«
    Ramose drehte sich um und ging rasch weg. Dass Taheb aus der Küche gelaufen kam und ihm etwas hinterherrief, hörte er schon nicht mehr.

    Die Schatten begannen, lang zu werden. Re* schickte sich an, seine Sonnenfahrt am Himmel zu beenden. Noch immer strömten die Frauen zurück in das Wüstendorf, so viele, dass sich vor dem Kontrollpunkt eine regelrechte Schlange gebildet hatte.
    »Ich weiß noch immer nicht genau, was wir hier sollen«, sagte Imeni missmutig. »Ich muss ein Trottel sein, um einfach hinter dir her zu latschen. Dämmerung - hat Userkaf gesagt. Dämmerung! Jetzt ist noch helllichter Tag und wir sind bereits auf Posten.«
    »Wenn wir etwas herausfinden wollen, müssen wir uns eben anstrengen. Und jetzt hör auf zu jammern, sondern mach lieber deine Augen auf! Vielleicht geschieht ja etwas Entscheidendes.«
    Imeni schüttelte den Kopf.
    »Wollen all diese Frauen nicht gerade nach Hause? Wie sollten sie da etwas herausschmuggeln können?«
    »Wir beobachten einfach, was sie tun. Könnte doch sein, dass uns dabei ein Licht aufgeht!« Ani runzelte plötzlich die Stirn. »Ja, wen haben wir denn da? Das ist doch Iset!«
    Die junge Frau war schwer beladen. Auf ihrem Kopf balancierte sie einen großen Korb, der mit Gemüse gefüllt war, während von ihren Schultern beiderseits zwei prall
gefüllte Leinentaschen baumelten. Schweiß stand auf ihrer Stirn. Sie keuchte.
    Plötzlich gab sie einen seltsamen Laut von sich und fiel vor den beiden Polizisten in den Staub.
    Ani war sofort bei ihr, löste die Taschen von ihren Schultern und bettete sie einigermaßen bequem, während Imeni sich um das herausgekullerte Gemüse kümmerte.
    Nach wenigen Momenten schlug Iset die Augen wieder auf. »Wo bin ich?«, murmelte sie. »Was ist geschehen?«
    »Ohnmächtig bist du geworden, das ist geschehen.« Ani beträufelte zunächst ihre Lippen mit Wasser. Dann half er ihr beim Aufrichten und ließ sie selber trinken. Iset schluckte gierig. »Du trägst ja schwerer als eine Eselin. Kann Kenamun dir dabei nicht helfen?«
    Ihre Hand flatterte nach oben. »Kenamun? Der ist doch so gut wie nie zu Hause.« Sie bemühte sich um ein Lächeln. »Ich schaff das schon!« Iset rappelte sich auf und wollte nach ihren Lasten greifen.
    »Wieso begleitest du sie nicht, Ani?«, schlug Imeni vor. »Trag du ihr doch die schweren Taschen nach Hause. Wenn du dich ein wenig beeilst, kannst du rechtzeitig zu Dienstbeginn wieder auf deinem Posten

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